Die Oger - [Roman]
Deshalb sage ich, verzögern wir den Kampf nicht durch irgendwelche Untersuchungen, sondern nutzen die Zeit, um unser Heer zu vergrößern und uns mit den Armeen der anderen Länder zusammenzuschließen. Wenn wir mit einer Übermacht, die ihresgleichen sucht, in den Kampf ziehen, nützen ihnen sämtliche Hinterhalte nichts. Wir sollten keine Zeit verschwenden, das sind wir unseren Kindern schuldig. Wir dürfen es nicht länger dulden, dass sich die Schergen Tabals erheben. Sie verstehen nur die Sprache der Gewalt, und deshalb sollten wir ihnen in ihrer eigenen Sprache antworten.«
Gidwicks Rede fand nickende, wenn auch schweigsame Zustimmung. Er setzte sich mit einem kaum verhohlenen, zufriedenen Grinsen wieder auf seinen Platz.
Das Grinsen ärgerte Lord Felton. Obwohl der Mann im Unrecht war, konnte er die Leute für sich gewinnen, und der Priester war sich dessen sehr genau bewusst. Die Menschen folgten nicht der Logik, sondern dem Schein. Die anderen jetzt wieder umzustimmen, benötigte viel Geschick. Felton hoffte sich etwas Zeit verschaffen zu können, indem er Barrasch das Wort erteilte.
Barrasch wirkte ruhig und gelassen, was er nicht allzu häufig ausstrahlte, wenn er gezwungen war, vor einer Reihe höhergestellter Personen zu reden. Wie sein Vorgänger, stand auch er auf.
»Es tut mir leid, aber ich muss unserem Klerus widersprechen. Die Gegner, mit denen wir es zu tun haben, scheinen zwar nicht besonders intelligent zu sein, aber in der strategischen Kriegführung kennen sie sich aus. Sie haben ihr ganzes Leben dem Krieg gewidmet. Nie haben sie etwas anderes getan. Man darf sie auf keinen Fall unterschätzen. Außerdem wird in dem Schreiben darauf hingewiesen, dass sie den Anweisungen der Nesselschrecken gehorchen, was sie noch gefährlicher macht. Solange wir über deren Fähigkeiten nichts wissen, können wir unseren Gegner nicht einschätzen. Sie haben es immerhin geschafft, die Drachen zu besiegen. Außerdem empfinde ich es als rücksichtslos, die Krieger in eine Falle laufen zu lassen. Auch wenn wir über eine Übermacht verfügen, heißt das nicht, dass wir das Leben von anderen einfach so aufs Spiel setzen sollten. Ich weiß, wir sind es den Kindern schuldig, rasch zu handeln, aber dennoch sollten wir diese Schuld nicht mit dem Blut anderer Unschuldiger bezahlen.«
Alle Anwesenden starrten Barrasch erstaunt an. So eine Redegewalt war man von dem Kriegsherrn nicht gewohnt. Lord Felton stemmte sich von seinem Platz hoch und beendete die Sitzung mit einigen abschließenden Worten. Eine Entscheidung sollte erst nach einem Tag Bedenkzeit gefällt werden.
Er wusste, dass viele der Anwesenden sich gern mit ihren Frauen beraten wollten. Die Stadträte verließen den Sitzungssaal, aber nicht ohne noch das eine oder andere Gläschen Wein zu leeren und etwas von dem beeindruckenden Buffet zu kosten, das wie bei jeder Sitzung an der Längsseite des Saales aufgebaut worden war. Barrasch und Felton waren die Einzigen, die Platz behielten. Mit einem zufriedenen Lächeln lehnten sie sich in den Stühlen zurück.
»Das war eine Meisterleistung«, sagte Felton. »Deine Zunge war gelöst wie dein Schwert im Kampf. Du hast dir doch nicht etwa vorher Mut angetrunken, oder?«
»Nur ein kleines Gläschen«, erwiderte Barrasch.
»Wenn es daran lag, würde ich sagen, du solltest jeden Tag eins trinken.«
Beide lachten, nachdem sie sich vergewissert hatten, dass alle anderen außer Hörweite waren.
»Was, wenn sie unserem Vorschlag dennoch nicht zustimmen?«, fragte Barrasch verunsichert.
»Mein lieber Freund Barrasch, dieser Stadtrat wurde ernannt, um mir die Meinungen der Bürger kundzutun. Um ihnen das Gefühl zu geben, ich gehe auf ihre Wünsche ein. Ich bin nicht an ihre Weisungen gebunden. Das Land regiere immer noch ich. Als Erstes müssen wir einen Weg finden den Aufmarsch der Truppen zu verzögern, dann sprechen wir mit einigen Gelehrten über die Nesselschrecken und wie man gegen sie vorgeht. Hoffen wir, dass unsere Entscheidung richtig ist. Wenn nicht, solltest du vor der nächsten Sitzung lieber gleich eine ganze Flasche trinken.«
23
Gleiche Ziele
Unendliche Kälte, die sich mit dem Schmerz in seinem Schädel vermischte, war alles, was Tarbur spürte. Er befand sich wieder in einem Dämmerzustand. Geräusche oder Gerüche hielten ihn von Zeit zu Zeit davon ab, vollends ins Dunkel zu gleiten. Seine Gedanken rasten in seinem Kopf umher, als ob sie die Zeit nutzen wollten, bevor seine Sinne wieder
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