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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Schicksal. Doch anstatt zuzudrücken, ließ Tarbur ihn los.
    »Ich nicht töten Freunde. Ich vielleicht schlau, aber auch blind. Brauche eure Hilfe, um Meister zu töten. Er auch euer Feind.«
    Hagrim ging im Geist seine Möglichkeiten zur Flucht durch. Der Gang vor ihm war gerade und ohne Abzweigungen. Wenn Tarbur losrannte, würde der Oger ihn einholen, keine Frage.
    »Schwöre, dass du keinen meiner Freunde tötest«, verlangte er.
    »Ich schwöre auf Grab von toter Bruder.«
    Hagrim hoffte, dass dieser Schwur bei Ogern den gleichen Stellenwert wie bei Menschen hatte. Er richtete sich wieder auf und wischte sich die mit Wasser vollgesogene Hose ab.
    Schon viele Nächte hatte er im Freien verbracht. Egal ob es stürmte, regnete oder schneite, er hatte immer darauf geachtet, dass seine Kleidung nicht verschmutzt oder nass wurde. Jetzt wusste er wieder, warum. Ein schlechter Tag wurde durch nasse Kleidung noch schlechter. Jede Bewegung erforderte Überwindungskraft. Der kalte, nasse Stoff klebte unangenehm an den Beinen. Zum Glück waren es nur noch zwei Tunnelkreuzungen bis zum Versteck. Hagrim hoffte, seine Gefährten waren klug genug gewesen, nach oben in die Stadt zu fliehen. Was würde er dafür geben jetzt oben auf der Treppe seiner Stammkneipe zu sitzen, sich die Sonne auf den Pelz scheinen zu lassen und sich an einem Glas Rotwein zu erfreuen. Leider ließ seine jetzige Situation nichts davon zu. Das lag nicht nur an der aufdringlichen Gesellschaft von Tarbur. Seit dieser Nacht des Überfalls war alles anders. Niemand wollte, dass er auf der Treppe saß, und niemand würde ihn für eine Geschichte auf ein Gläschen einladen. Erwachsene mieden ihn, und Kinder wurden von ihren Eltern in panischer Furcht zurückgerufen. Dabei hatte er nur schlimme Narben im Gesicht, aber er war verdammt noch mal nicht ansteckend.
    Ein Gitter versperrte den Zugang des Seitenarmes der Kanalisation. Hagrim griff eine Stange aus der Mitte des Gitters und schob diese so weit nach oben, bis sie aus der Führung rutschte. Er drehte sich zu Tarbur um und schaute zu ihm hoch.
    »Wir haben ein Problem. Der Zugang zu unserem Versteck ist eher etwas für Hunger leidende Bettler und weniger geeignet für, verzeih, Muskelberge.«
    Tarbur tastete den offenen Bereich ab und drängte Hagrim hindurch.
    »Tarbur viele Tage nicht gegessen, wird gehen.«
    Er packte die Eisenstangen mittig und bog sie so weit auseinander, dass ihre Enden oben und unten zusammenstießen. Die Leichtigkeit, mit der er das tat, ließ Hagrim einen Schauer über den Rücken laufen.
    »Unglaublich«, stieß er hervor.
    »Schlechte Arbeit«, bekam er von Tarbur knapp zur Antwort.
    Hinter dem kurzen Gangstück öffnete sich der Tunnel zu einer großen Kammer. Hagrim leuchte mit seiner Laterne Stück für Stück des feuchten Gewölbes ab. Die Decke war hoch genug, damit Tarbur aufrecht stehen konnte. Auf dem Boden waren etliche Schlafstätten eingerichtet. Eine Feuerstelle in der Mitte rauchte wie nach einer überstürzten Löschung noch vor sich hin. In der Südecke stapelten sich einige leere Kisten und Fässer - Überbleibsel von Zufallsgeschenken, wie die Bettler das Entwenden von achtlos abgestellten Waren bezeichneten. Sie stahlen nicht wahllos, sondern nur Dinge, die sie direkt benutzten. Sie nahmen nichts mit, um es zu verkaufen. Weiterhin stahlen sie nur, wenn niemand in der Nähe war. Entweder sie konnten die Sachen unbeobachtet mitnehmen, oder sie ließen die Finger davon. Und sie wendeten niemals Gewalt an - zu Hagrims Erstaunen hob und senkte sich der Deckel eines Fasses, in dem früher Salzheringe eingelagert waren. Aufgrund der drei anderen Fässer, die um einiges größer und auch mit weniger übelriechenden Nahrungsmitteln gefüllt waren, vermutete er, dass diese schon von drei anderen Personen als Versteck genutzt wurden.
    »Ihr könnt rauskommen. Er hat versprochen, uns nichts zu tun.«
    Die Deckel der Fässer regten sich nicht.
    »Habt ihr mich gehört? Er tut euch nichts«, wiederholte Hagrim.
    »Woher sollen wir wissen, dass er nicht lügt?«, kam eine Stimme aus dem Fass mit der Aufschrift »Dörrfleisch«.
    »Weil er mich noch nicht umgebracht hat und euch auch noch nicht. Außerdem hat er es mir geschworen, auf das Grab seines toten Bruders.« Hagrim schien langsam die Geduld zu verlieren. »Denkt ihr eigentlich, die Fässer bieten euch genügend Schutz?«, fragte er kopfschüttelnd.
    Die Deckel wurden zaghaft beiseitegeschoben, und aus den Fässern

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