Die Operation
Aktivierung.«
Stephanie hob den Blick vom Mikroskop und holte die Petrischale unter dem Objektiv hervor. Sie rutschte von ihrem Stuhl und ging hinüber zur Fusionskammer, wo sie die gepaarten Zellen einem kurzen Stromstoß aussetzen würde, damit sie sich vereinigten.
Daniel sah ihr dabei zu. Neben den immer wiederkehrenden Alpträumen als Folge der Prügel, die er von dem Spießgesellen der Castiglianos bezogen hatte, hatte Daniel noch mit anderen psychischen Auswirkungen dieses Erlebnisses zu kämpfen. Während der ersten Tage danach hatte er permanent befürchtet, dass der Mann wieder auftauchen könnte, trotz all der beruhigenden Worte, die er selbst unmittelbar nach dem Vorfall zu Stephanie gesagt hatte. Und auch trotz allem, was das Hotel unternommen hatte, nachdem Daniel die Geschäftsführung von dem Überfall unterrichtet hatte. Immerhin musste man ihr zugute halten, dass sie eine Woche lang bereitwillig einen Wachmann in Daniels und Stephanies Häuschen untergebracht hatte. Allabendlich hatte der Mann, der über eine beeindruckende Körpergröße verfügte, Daniel und Stephanie nach dem Abendessen vom Terrassenrestaurant des Hotels zurück in ihr Zimmer begleitet und hatte im Flur Wache gestanden, bis sie am nächsten Morgen in Richtung Wingate Clinic aufgebrochen waren.
Doch im Lauf der Tage ließ Daniels Angst in dem Maße nach, wie sein Zorn über den Vorfall größer wurde. Ein erheblicher Anteil dieses Zorns war auf Stephanie gerichtet. Obwohl sie sich entschuldigt und ursprünglich auch ehrliches Mitgefühl gezeigt hatte, war Daniel außer sich darüber, dass sie immer noch Zweifel hatte, dass ihre Familie tatsächlich in die ganze Sache verstrickt war. Das hatte sie zwar nicht direkt so gesagt, aber Daniel hatte es aus einigen indirekten Bemerkungen herausgehört. Angesichts einer solch kaputten Familie und angesichts ihrer Unfähigkeit, damit angemessen umzugehen, konnte Daniel gar nicht anders, als sich zu fragen, ob Stephanie auf lange Sicht vielleicht zum Unsicherheitsfaktor werden würde.
Ein weiteres Problem war ihre Selbstgerechtigkeit. Sie hatte zwar versprochen, mit den Leuten aus der Wingate Clinic keinen Ärger mehr anzufangen, aber trotzdem machte sie permanent unpassende Bemerkungen über deren angebliche Stammzellentherapie und stellte unangemessene Fragen bezüglich der jungen Bahamaerinnen, die in der Klinik arbeiteten - ein Thema, auf das Paul Saunders extrem empfindlich reagierte. Und zu allem Überfluss legte sie Spencer Wingate gegenüber ein auf peinliche Weise abweisendes Verhalten an den Tag. Daniel war aufgefallen, dass dieser sein Interesse an Stephanie immer unverhohlener zeigte, was damit zu tun haben mochte, dass Daniel selbst bei Spencers Bemerkungen keinerlei Reaktion zeigte. Aber trotzdem hätte sie damit sehr viel weniger rüde umgehen können. Es machte Daniel fast wahnsinnig, dass sie anscheinend einfach nicht begreifen wollte, dass sie durch ihr Verhalten unter Umständen alles gefährdete. Falls sie und Daniel rausgeworfen wurden, dann war alles aus.
Daniel seufzte, als er Stephanie bei der Arbeit zusah. So fraglich es auch sein mochte, wie sich Stephanies Rolle auf lange Sicht entwickeln würde, kurzfristig war sie zweifellos unersetzbar. In elf Tagen würde Ashley Butler auf der Insel eintreffen. So viel Zeit hatten sie noch, um aus den Fibroblasten des Senators Dopamin produzierende Neuronen herzustellen und ihn anschließend damit zu behandeln. Sie machten zweifellos Fortschritte, das HTSR-Verfahren und die Zellkernübertragung waren bereits abgeschlossen, aber es lag noch ein langer Weg vor ihnen. Stephanies Fähigkeiten waren bei der Zellbearbeitung unbedingt erforderlich. Er hatte gar nicht mehr die Zeit, sie zu ersetzen.
Stephanie konnte Daniels Blick im Rücken spüren. Ihre Schuldgefühle und ihre Unsicherheit in Bezug auf die Konsequenzen, die die Verstrickung ihrer Familie in den Überfall nach sich ziehen mochte, hatten sie außerordentlich sensibel gemacht. Was hingegen Daniel betraf, er war seitdem nicht mehr er selbst. Sie konnte nur vermuten, wie er sich gefühlt hatte, als er zusammengeschlagen worden war, aber eigentlich hatte sie gedacht, er würde sich schneller davon erholen. Stattdessen verhielt er sich in vielerlei Hinsicht unterschwellig distanziert. So schliefen sie zwar weiterhin gemeinsam in einem Bett, aber es war zu keinerlei Intimitäten gekommen. Durch dieses Verhalten war eine alte Frage in ihr wieder zum Leben erwacht,
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