Die Operation
den Hörer ab und versuchte, sich mit möglichst normaler Stimme zu melden. Dabei schaute sie Daniel an. Er sah, wie sich ihre Augenbrauen beim Zuhören leicht nach oben zogen.
Nach wenigen Augenblicken fragte er sie durch stumme Mundbewegungen: »Wer ist das?« Stephanie hob die Hand und bedeutete ihm, er solle sich noch einen Augenblick gedulden. Schließlich sagte sie: »Wunderbar! Und vielen Dank.« Dann hörte sie weiter zu. Gedankenverloren wickelte sie sich das Telefonkabel um den Finger. Nach einer kurzen Pause sagte sie: »Das ist sehr nett von Ihnen, aber heute Abend geht es nicht. Und an den anderen Abenden auch nicht.« Dann verabschiedete sie sich kurz angebunden und legte auf. Sie blickte wieder zu Daniel, sagte aber zunächst einmal keinen Ton.
»Und? Wer war das?«, wollte Daniel wissen. Seine Neugier war übermächtig.
»Das war Spencer Wingate.« Stephanie schüttelte fassungslos den Kopf.
»Was wollte er?«
»Er wollte uns Bescheid sagen, dass er unsere Kuriersendung ausfindig gemacht und dafür gesorgt hat, dass sie gleich morgen Früh ausgeliefert wird.«
»Na, Gott sei Dank. Man muss auch für die kleinen Dinge dankbar sein. Das heißt, wir können mit der Produktion von Butlers Aktivzellen anfangen. Das Gespräch hat aber ziemlich lange gedauert. Was wollte er denn sonst noch von dir?«
Stephanie lachte freudlos. »Er hat mich zum Abendessen eingeladen, bei ihm zu Hause an der Lyford Cay Marina. Komisch: Er hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass er nur mich einladen will und nicht uns beide. Das kann doch nicht wahr sein! Als wollte er mich anbaggern.«
»Na ja, sehen wir’s positiv. Wenigstens hat er einen guten Geschmack.«
»Das finde ich nicht witzig«, gab Stephanie zurück.
»Das sehe ich«, meinte Daniel. »Aber wir dürfen das große Ganze nicht aus dem Auge verlieren.«
Kapitel 18
Montag, 11. März 2002, 11.30 Uhr
Ehre wem Ehre gebührt, das musste selbst Daniel manchmal zugeben. Er hegte nicht den geringsten Zweifel, dass Stephanie ihm bei der Zellbearbeitung weit überlegen war, und diese Tatsache wurde untermauert durch das, was er im Augenblick durch die Linsen eines mit zwei Okularen versehenen Präparationsmikroskops beobachten konnte. Er und Stephanie hatten das Gerät am Rand ihres Labortisches in der Wingate Clinic aufgebaut, damit Daniel ihr bei der Arbeit zusehen konnte. Stephanie war gerade dabei, die Zellübertragung -auch therapeutisches Klonen genannt - einzuleiten, indem sie einer reifen, menschlichen Eizelle, deren DNA mit einem fluoreszierenden Farbstoff markiert worden war, den Zellkern entnahm. Die Eizelle hatte sie bereits fixiert, indem sie mit Hilfe einer stumpfen Pipette einen leichten Unterdruck hergestellt hatte.
»So, wie du das machst, sieht es ganz einfach aus«, bemerkte Daniel.
»Ist es auch«, gab Stephanie zurück, während sie mit Hilfe eines Mikromanipulators eine zweite Pipette in das Sichtfeld des Mikroskops dirigierte. Das hohle Ende dieser zweiten Pipette war im Gegensatz zu der ersten so spitz wie eine extrem feine Nadel. Die Pipette selbst hatte einen Durchmesser von 0,025 Millimetern.
»Für dich vielleicht, aber nicht für mich.«
»Der Trick ist, dass man nicht hetzen darf. Es muss alles ganz langsam und gleichmäßig gehen, ohne Zucken.«
Wie zur Bestätigung näherte sich die spitze Pipette jetzt gleichmäßig, aber entschlossen der fixierten Eizelle, bis sie die äußere Zellmembran berührte, ohne sie jedoch zu durchstoßen.
»An der Stelle geht es bei mir immer schief«, sagte Daniel. »Jedes zweite Mal ramme ich die Pipette mitten durch die Zelle und komme auf der anderen Seite wieder raus.«
»Vielleicht bist du zu ungeduldig und dadurch ein bisschen zu heftig«, meinte Stephanie. »Wenn man die Pipette richtig auf die Stelle gesetzt hat, wo man die Zellwand durchstoßen will, dann muss man nur noch einmal sachte auf den Mikromanipulator klopfen.«
»Ach so, zum Durchstoßen fasst du den Mikromanipulator gar nicht mehr an?«
»Nie.«
Stephanie führte den Vorgang mit dem Zeigefinger aus, und durch das Mikroskop war erkennbar, wie die Pipette sich sauber ihren Weg ins Zytoplasma der wehrlosen Eizelle bahnte.
»Tja, man lernt nie aus«, sagte Daniel. »Das beweist einmal mehr, dass ich auf diesem Gebiet nur ein blutiger Amateur bin.«
Stephanie hob den Blick und sah zu Daniel hinüber. Solche Selbstgeißelungen sahen ihm gar nicht ähnlich. »Sei doch nicht so selbstkritisch. Für dieses Alltagsgeschäft
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