Die Operation
zweifelhafte Vergnügen, in einem OP ohne Röntgengerät zu arbeiten.«
»Denken wir einen Augenblick darüber nach, ohne uns aufzuregen«, schlug Paul vor. »Es muss doch eine Lösung geben.«
»Da gibt es nichts nachzudenken«, fauchte Dr. Nawaz. »Ohne Röntgenstrahlen kann ich eine Injektion ins Gehirn nicht lokalisieren. So einfach ist das.«
Mit Ausnahme der metronomisch piepsenden Herzüberwachung versank der Saal in gespannter Stille. Keiner schaute dem anderen in die Augen. Niemand rührte sich.
»Warum bringen wir den Patienten nicht ins Röntgenzimmer?«, schlug Spencer plötzlich vor. »Es ist ja nicht weit entfernt.«
Die anderen hatten auch schon daran gedacht, hatten die Idee aber wieder verworfen. Jetzt zogen sie die Vorstellung erneut in Erwägung. Einen Patienten während des Eingriffs aus dem OP ins Röntgenzimmer zu transportieren war sicherlich alles andere als Routine, und doch war es unter den gegebenen Umständen nicht völlig ausgeschlossen. Die Einrichtung war nagelneu und praktisch leer, sodass belastende Keime eine weit geringere Gefährdung darstellten als im Normalfall, zumal der Schädelknochen noch nicht durchstoßen war.
»Ich muss zugeben, das klingt vernünftig«, sagte Daniel optimistisch. »Wir sind genügend Helfer, wir können alle mit anpacken.«
»Wie sehen Sie das, Rashid?«, wollte Paul wissen.
Dr. Nawaz zuckte mit den Schultern. »Das könnte klappen, vorausgesetzt wir lassen den Patienten auf dem OPTisch. Da er sitzt und der stereotaktische Rahmen schon befestigt ist, wäre es nicht ratsam, ihn auf eine Bahre und wieder herunter zu heben.«
»Der OPTisch hat Räder«, warf Dr. Newhouse zur Erinnerung für alle ein.
»Packen wir’s an!«, sagte Paul. »Marjorie, alarmieren Sie die Röntgenassistentin, dass wir auf dem Weg zu ihr sind.«
Es dauerte ein paar Minuten, bis Dr. Newhouse Ashley von der Herzüberwachung getrennt und seine Arme losgebunden hatte. Im gestreckten Zustand hätten sie unmöglich durch die Tür gepasst. Als alles fertig war und Ashleys Hände sicher in seinem Schoß ruhten, löste Dr. Newhouse mit dem Fuß die Feststellbremse. Dann rollten sie den OPTisch - Dr. Newhouse schiebend, Marjorie und Paul ziehend - in den Flur hinaus. Mit Ausnahme der Schwester, die im Vorraum blieb, strömten alle anderen hinterher. Ashley schlief weiter, ohne jedes Bewusstsein für das sich anbahnende Drama, obwohl er aufrecht saß und immer wieder durchgerüttelt wurde. Mit dem futuristisch anmutenden stereotaktischen Rahmen, der auf seinen Kopf montiert war, hätte er genauso gut ein schlafender Schauspieler in einem Sciencefictionfilm sein können.
Sobald sie im Korridor waren, wollten alle außer Dr. Nawaz beim Schieben helfen, obwohl das kaum notwendig war. Der OPTisch rollte leicht über den harten, betonähnlichen Fußboden. Nur das beträchtliche Gewicht verursachte ein leichtes Rumpeln. Als die Gruppe das Röntgenzimmer erreichte, entspann sich eine Diskussion darüber, ob Ashley vom OPTisch auf den Röntgentisch gelegt werden sollte.
Nach Abwägung von Pro und Kontra wurde entschieden, dass es das Beste sei, ihn auf dem OPTisch zu lassen.
Dr. Nawaz legte eine schwere Bleischürze an, da er während der Aufnahmen höchstpersönlich Ashleys Kopf ausrichten und stützen wollte. Alle anderen zogen sich nach draußen in den Flur zurück. Ashley bekam von alledem nichts mit.
»Er wird erst dann wieder zurückgeschoben, wenn die Filme entwickelt sind«, sagte Dr. Nawaz zu der Röntgenassistentin, als sie hereinkam, um die belichteten Platten abzuholen. »Ich will absolut sichergehen, dass die Aufnahmen brauchbar geworden sind.«
»Dauert nur ein Minütchen«, sagte die Assistentin munter.
Dr. Newhouse kam zurück ins Röntgenzimmer und überprüfte Ashleys Zustand. Paul und Spencer begleiteten die Röntgenassistentin, um auf die entwickelten Filme zu warten. Daniel und Stephanie waren unverhofft einen Augenblick lang allein.
»Das Ganze kommt mir vor wie eine Komödie, in der alles schief geht, nur, dass es überhaupt nicht witzig ist«, flüsterte Stephanie und schüttelte empört den Kopf.
»Das finde ich nicht fair«, flüsterte Daniel zurück. »Für das Missverständnis mit dem Röntgengerät kann niemand was. Ich kann beide Seiten verstehen, und außerdem ist das jetzt schon wieder Schnee von gestern. Die Röntgenbilder sind gemacht, der Eingriff kann also planmäßig weitergehen.«
»Pfff«, gab Stephanie zurück. »Es spielt keine Rolle, ob
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