Die Operation
nicht Dr. Wingate dazu?«
»Okay! Einen Augenblick!«
Paul ging in den OP zurück und flüsterte Spencer etwas ins Ohr. Spencers Augenbrauen wanderten in die Höhe. Er schaute demonstrativ durch das Fenster zu Kurt hinaus, als könnte er nicht glauben, was Paul ihm gerade erzählt hatte. Ohne zu zögern, folgte er Paul zurück in den Flur. Kurt signalisierte ihnen, sie sollten ihm in den Lagerraum des OP folgen. Dort angekommen, versicherte er sich, dass die Tür geschlossen war. Dann drehte er sich um und fixierte seine Vorgesetzten. Er hielt von keinem der beiden besonders viel, zumal er nie so genau wusste, wer denn nun eigentlich das Sagen hatte.
»Nun?«, meinte Spencer. Er hatte nicht so viel Geduld mit Kurt wie Paul. »Wollen Sie es uns jetzt sagen oder nicht? Wer ist es?«
»Zunächst ein wenig Hintergrund«, sagte Kurt in seinem knappen, militärischen Stil. »Vom Fahrer der Limousine habe ich erfahren, dass er den Patienten und seine Begleiterin im Atlantis Resort abgeholt hat. Durch meine Kontakte zu Angestellten des Atlantis, die mir die örtliche Polizei vermittelt hat, habe ich herausgefunden, dass sie in der Poseidonsuite wohnen, eingetragen auf den Namen Carol Manning aus Washington, D.C.«
»Carol Manning?«, fragte Spencer. »Nie von ihm gehört? Wer, zum Teufel, ist das?«
»Carol Manning ist eine Frau«, sagte Kurt. »Ich habe einem Freund auf dem Festland Bescheid gesagt, und er hat ihren Namen durch seinen Computer laufen lassen. Sie ist die Stabschefin von Senator Ashley Butler. Dann habe ich mit der bahamaischen Einwanderungsbehörde Kontakt aufgenommen: Senator Butler ist gestern auf der Insel eingetroffen. Ich bin daher überzeugt, dass es sich bei dem Patienten um den Senator handelt.«
»Senator Butler! Natürlich!«, sagte Spencer und schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. »Wisst ihr, heute Morgen habe ich noch gedacht, dass er mir irgendwie bekannt vorkommt, aber ich habe sein Gesicht einfach nicht mit dem Senator zusammenbekommen, zumindest nicht in dieser lächerlichen Touristenaufmachung.«
»Mist!«, schimpfte Paul. Er stemmte die Hände in die Hüften und ging in dem winzigen Lagerraum auf und ab. »Zuerst unternehmen wir all diese Anstrengungen, um herauszufinden, wer er ist, und dann stellt sich heraus, dass er ein beknackter Politiker ist. Das war’s dann wohl mit dem dicken Geld.«
»Wir sollten jetzt lieber nichts überstürzen«, sagte Spencer.
»Und wieso nicht, verdammt?«, sagte Paul. Er blieb stehen und schaute Spencer an. »Wir haben fest damit gerechnet, dass der geheimnisvolle Fremde reich und berühmt ist, also so was wie ein Filmstar, ein Rockstar, ein Spitzensportler oder zumindest ein prominenter Geschäftsmann. Aber doch bestimmt kein Politiker!«
»Es gibt solche und solche Politiker«, sagte Spencer. »Was für uns interessant sein könnte, ist, dass es Gerüchte gibt, dass Butler sich wie ein Haufen anderer auch um die demokratische Präsidentschaftskandidatur bemühen will.«
»Aber Politiker haben kein Geld«, sagte Paul. »Zumindest kein eigenes.«
»Aber sie haben Kontakte zu Leuten mit sehr viel Geld«, erwiderte Spencer. »Und das zählt, speziell bei ernsthaften Präsidentschaftsbewerbern. Wenn sich die Kandidatenflut bei den Demokraten lichtet - und das wird ja irgendwann der Fall sein -, dann ist plötzlich eine Menge Geld im Umlauf. Und wenn Butler sich bewirbt und sich am Anfang gut schlägt, dann könnten wir immer noch mit einem Geldsegen rechnen.«
»Das sind aber sehr viele Wenns«, sagte Paul mit spöttischem, ungläubigem Lächeln. »Aber ungeachtet dessen bin ich sehr zufrieden mit dem, was wir haben. Geldsegen hin oder her, ich habe einen tiefen Einblick in das HTSR-Verfahren bekommen, wovon wir in großem Umfang profitieren werden, und das zusätzlich zu den fünfundvierzig Riesen, die ja auch nicht zu verachten sind. Also bin ich zufrieden, besonders, weil Dr. Lowell diese Erklärung unterschrieben hat. Er wird nicht abstreiten können, was er hier gemacht hat, und ich werde ihn gehörig unter Druck setzen, damit dieser Artikel im New England Journal of Medicine erscheint, komplett, einschließlich des Kniffs mit dem Turiner Grabtuch. Von der Publicity werden wir langfristig auf jeden Fall profitieren, und dafür ist ein Politiker mindestens so gut wie irgendein anderer Prominenter, vielleicht sogar noch besser.«
»Ich werde mich jetzt wieder meinen eigentlichen sicherheitstechnischen Aufgaben widmen«, sagte Kurt.
Weitere Kostenlose Bücher