Die Opfer des Inzests
der Küche brannte kein Licht.
Ich wagte nicht, ins Wohnzimmer zu gehen. Und doch wußte ich, daß mein Vater
und Sophie dort waren. Ich brachte einfach nicht den Mut auf...
Eine halbe Stunde, nachdem ich nach
oben zurückgegangen war, hörte ich im Bad Wasser laufen, Türen, die geöffnet
und wieder geschlossen wurden und schließlich Sophies Weinen. Ich wollte sie
trösten, ihr sagen, daß sie nicht die einzige sei, die so etwas durchmachen
mußte. Schließlich beschloß ich jedoch, sie in Ruhe zu lassen. Wieder Feigheit?
Ich sollte mir mein Verhalten noch oft vorwerfen.
In den folgenden Nächten fragte ich
mich immer, auf wen die Wahl fallen würde: auf Sophie oder auf mich. Wir
erfuhren es erst im letzten Augenblick. Es war wie russisches Roulette.
Manchmal flehte ich Gott an: ›Mach, daß er nach nebenan geht!‹ Kam mein Vater
aber zu mir, sagte ich mir: ›Es ist besser so. Wenigstens wird er heute nacht
Sophie nicht quälen. Das ist nur normal, beim letzten Mal war sie dran.‹
Jede Nacht hatte ich Alpträume.
In ein paar Tagen würde ich 15 werden.
Mama hatte wieder eine Venenentzündung.
Sie mußte eine Woche im Krankenhaus bleiben. Eine kurze Woche Frieden für sie.
Vor ihrem Aufbruch bat sie Julien, etwas mehr Zeit zu Hause zu verbringen und
Streitigkeiten mit Papa zu vermeiden.
Gleich am ersten Abend kam mein Vater
betrunken nach Hause, als wir gerade mit dem Essen fertig waren. Er beschimpfte
Julien. Alle weinten, außer meinem Bruder, der ihm die Stirn bot und ihm sagte,
er solle schlafen gehen.
›Geht selbst schlafen, alle!‹ brüllte
mein Vater. ›Außer dir, Sabine. Du machst mir etwas zu essen!‹
Julien mischte sich ein,
›Nein, Sabine geht schlafen. Ich werde
dir etwas zu essen machen.‹
Mein Vater explodierte.
›Ich habe hier das Sagen! Verstanden?‹
Er schlug mit der Faust gegen die Eßzimmertür. Es gab ein lautes Krachen. Er
hatte das Holz durchschlagen! Daraufhin verschwanden wir alle auf unsere Zimmer
bis auf Julien, der anfing zu kochen.
Jeden Tag nach dem Unterricht besuchten
wir Mama im Krankenhaus. Wir versicherten ihr, daß alles in Ordnung sei. Und
dabei kam mein Vater mich jede Nacht holen und zwang mich, im Bett meiner
Mutter mit ihm zu schlafen. Inzwischen begnügte er sich nicht mehr damit, mich
zu vergewaltigen. Er zwang mich zu allerlei abscheulichen Schweinereien.
Mehrmals glaubte ich, ohnmächtig zu werden vor Schmerz und Ekel. Ich mußte
aussehen wie eine lebende Tote.
In diesem Monat blieb meine Regel aus.
Ich versuchte, so gut es ging, mich zu beruhigen. ›Vielleicht ist das ja ganz
normal. Ganz bestimmt bekomme ich meine Tage nächsten Monat wieder.‹
Zwei Monate verstrichen. Nichts. Ich
war gezwungen, Mama davon zu erzählen. Verlegen stellte sie mir Fragen:
›Gehst du mit einem Jungen? Habt ihr
miteinander geschlafen? Hast du...‹
Und plötzlich ging mir ein Licht auf:
möglicherweise war ich schwanger von meinem eigenen Vater! Ich war nur dürftig
aufgeklärt, aber ich wußte, daß er keine Verhütungsmittel benutzte. Er zog sich
nur kurz vor dem Samenerguß zurück. Mein Kopf! Mein Kopf tat schrecklich weh.
Wir suchten einen Arzt auf, der eine
Blutabnahme anordnete. Zwei Tage später gingen Mama und ich wieder hin, um die
Testergebnisse abzuholen. Mama öffnete den Umschlag nicht gleich. Wir saßen
beide auf dem Sofa im Wohnzimmer. Ich nahm ihr den Brief aus den Händen. Ich
wollte es noch vor ihr wissen. ›Positiv‹, las ich. Ich begriff, was das
bedeutete. Erschüttert rief ich:
›Nein, das stimmt nicht, Mama. Sie
haben sich geirrt.‹
Kalte Schweißausbrüche... Mein Herz
raste. Ich wagte nicht, meiner Mutter in die Augen zu sehen. Auch sie war wie
gelähmt.
Es war fast 18 Uhr. Mein Vater würde
bald nach Hause kommen.
Da kam er. Das war mein Ende. Ich
zitterte am ganzen Leib.
Mama wurde hochrot im Gesicht.
Entschlossenen Schrittes ging sie ihm entgegen.
›Deine Tochter ist in der sechsten
Woche schwanger. Das Testergebnis war positiv.‹
›Ja? Und?‹
›Ist das alles, was du dazu zu sagen
hast? Ich weiß sehr wohl, daß sie keinen Freund hat. Also hatte sie auch keinen
Geschlechtsverkehr mit einem Jungen.‹ Mein Vater zeigte immer noch keine
Reaktion. Er sah Mama an. Ich konnte sie vom Wohnzimmer aus sehen und hören.
›Ich habe so meinen Verdacht, was dich
betrifft, Paul‹, sagte sie.
Ich war völlig verblüfft, daß sie es
wagte, ihren Mann zur Rede zu stellen. Er würde sie umbringen, da war ich ganz
sicher!
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