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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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gerettet und bei sich aufgenommen. Der Gentleman Reverend wurde getötet, aber er hat mich gerettet.«
    »Der Gentleman Reverend wurde getötet?«
    »Hören Sie nicht auf sie«, sagte ich und machte eine abfällige Handbewegung. »Sie hat eine zu rege Fantasie. Geburtsfehler, um ehrlich zu sein.«
    Miller blieb aber hartnäckig: »Und wer hat den Gentleman Reverend umgebracht, mein Liebling?«
    »Sie sollten wirklich nicht auf sie hören«, warf ich ein.
    Charity machte einen besorgten Gesichtsausdruck. »Der Gentleman hat ihn nicht umgebracht, Sir. Der Gentleman hat mich gerettet. Umgebracht hat ihn ...«
    Sie legte die Hände so vor ihr Gesicht, dass nur noch ihre Augen unbedeckt waren, um verstohlene, umherhuschende Blicke anzudeuten. Dann krümmte sie ihre Fingerspitzen, bis sie aussahen wie-Zähne, und machte einen Buckel, der auf eine abscheulich beschwörende Weise an Brown Jenkin erinnerte. Schließlich hüpfte sie vor dem Detective Sergeant so hin und her, dass er vor Beunruhigung regelrecht erstarrte.
    »Sir«, flüsterte Jones. »Was in drei Teufels Namen soll denn das sein?«
    »Brown Jenkin«, sagte Miller, dessen Gesicht kreidebleich geworden war.
    »Was, Sir?«
    »Ich sagte: Ich denke nach.«
    »Oh, gut, Sir. Sehr gut, Sir.«
    Miller bückte sich zu Charity hinab, fasste sie an den Händen und sah ihr direkt in die Augen. »Charity, wo wurde der Gentleman Reverend ermordet?«
    »Im Wohnzimmer, Sir.«
    »Er ist aber nicht mehr dort, oder?«
    »Nicht jetzt, Sir.«
    Miller war aufmerksam genug, um die ungewöhnliche Betonung des Wortes >jetzt< zu bemerken, aber offenbar verstand er nicht dessen wirkliche Bedeutung. Wer hätte das auch schon gekonnt? Selbst Charitys altmodisches Benehmen hätte keinen halbwegs vernünftigen Polizisten auf den Gedanken bringen können, dass ich sie erst vor kurzem aus dem Jahr 1886 mitgebracht hatte. Ich konnte es ja selbst kaum glauben. Es war wie ein Traum oder wie ein Film.
    Miller richtete sich wieder auf und sah mich geduldig an. »Ich glaube, Sie sollten mir besser erzählen, was geschehen ist«, sagte er, während er so dicht neben mir stand, dass Jones ihn nicht verstehen konnte. »Meine Vorgesetzten werden es wohl kaum glauben, ebenso Jones. Aber ich glaube es, und ich sage Ihnen, dass dem Ganzen ein Ende gesetzt wird, bevor noch mehr Menschenleben zu beklagen sind.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen helfen kann«, erwiderte ich.
    Ich hatte meine eigenen Pläne für Fortyfoot House, ich wollte nicht, dass Detective Sergeant Miller alles nur noch komplizierter machte.
    »Warum sollte mir dieses Mädchen wohl erzählen, dass Mr. Pickering umgebracht wurde?«, fragte er.
    »Lebhafte Fantasie, würde ich sagen.«
    »Aber ... wir könnten uns ja mal im Haus umsehen, oder?«
    »Natürlich. Wenn Sie das möchten.«
    Miller drehte sich um und nahm Charity an die Hand. »Warum zeigst du mir nicht, wo der Gentleman Reverend ermordet wurde, Charity?«
    Sie führte ihn gehorsam zum Haus. Jones und ich folgten den beiden. »Kinder«, sagte Jones. »Ich hasse Ermittlungen mit Kindern. Man weiß nie, wie viel wahr ist, wie viel sie dazu-dichten und wie viel sie aus dem Fernsehen haben.«
    Ich sagte nichts. Mir schien es am sichersten, den Mund zu halten.
    Miller ging bis ins Wohnzimmer und schlich herum. Natürlich sah der Raum anders aus als 1886. Die Holzvertäfelung war verschwunden, die Möbel waren durch moderneres Mobiliar ersetzt worden. Der Kamin war noch an seinem Platz, doch den viktorianischen Stil hatte man in den dreißiger Jahren mit beigefarbenen Kacheln modernisiert.
    »Also ... Zeichen für einen Kampf kann ich nicht sehen«, sagte Miller. »Wo genau wurde der Gentleman Reverend denn umgebracht?«
    Charity deutete auf die Stelle, wo gestern vor 106 Jahren Brown Jenkin Dennis Pickering auf unglaublich brutale Weise getötet hatte.
    »Aha«, machte Miller. »Und wie wurde er umgebracht?«
    Charity formte aus ihrer Hand eine Kralle und deutete eine aufwärts gerichtete aufreißende Bewegung an.
    »Er hat sich zu Tode gekratzt«, meinte Jones.
    Miller sagte nichts, kreiste aber weiter durch den Raum und inspizierte jeden Quadratzentimeter. Dann wandte er sich wieder Charity zu und fragte: »Was hat man denn mit dem Gentleman Reverend gemacht, nachdem er tot war?«
    Charity schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Wir sind weggelaufen. Dannys Papa hat mich nach oben gebracht und mich gerettet.«
    Jones warf Miller einen geringschätzigen Blick zu. »Um ehrlich zu

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