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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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nach.
    »Vielleicht sechs oder sieben Gläser Wein. Wir haben uns unterhalten, wir haben alle etwas zu viel getrunken. Ich glaube, keiner von uns hat wirklich mitgezählt.«
    »Oh«, sagte Miller. »Das ist schade. Wann ist er denn aufgebrochen? «
    »Schwer zu sagen. Vielleicht um halb elf.«
    Miller setzte seine Sonnenbrille wieder auf und stand da, die Arme in die Hüften gestemmt, und schien Löcher in die Luft zu starren. Obwohl die Sonne schien, wirkte Fortyfoot House hinter ihm kalt und dunkel und in sich gekehrt, so wie ein alter Verwandter, der bei einer Familienfeier wortlos dasitzt und nur an früher und an die denkt, die damals lebten, die er kannte und die ihn liebten und die alle seit langer Zeit tot waren.
    »Mr. Pickering hatte seiner Frau versprochen, dass er sie gegen elf Uhr anrufen wollte«, sagte Miller.
    »Tatsächlich?«
    »Er hatte ihr gesagt, dass er erst hierher kommt und dann nach Shanklin Old Village gehen wollte, um Mrs. Martin zu besuchen.«
    »Davon hat er mir nichts gesagt.«
    Miller nickte, sagte aber weiter nichts. Jones versetzte dem Reifen des Renault noch einen Tritt, was Miller mit einem missbilligenden Blick konterte. »Sieht ein bisschen platt aus«, erklärte Jones und errötete ein wenig.
    In dem Moment tauchten Danny und Charity an der Tür auf. Danny trug seinen Schlafanzug, Charity hatte Liz' Bluse an.
    »Daddy!«, rief Danny. »Charity möchte wissen, was sie anziehen soll.«
    »Einen Augenblick bitte«, sagte ich zu Miller.
    »Keine Ursache. Sie haben ja wohl alle Hände voll zu tun. Wer ist denn die Kleine?«
    »Meine Nichte«, log ich. »Die jüngste Tochter meiner Schwester.«
    »Tja, es geht nichts über einen Urlaub am Meer mit einem Onkel«, sagte Miller und wandte sich ab. »Sie melden sich doch, wenn Mr. Pickering kommt, um seinen Wagen abzuholen? Ich vermute, er ist einfach abhanden gekommen. Offenbar hat er das schon früher gemacht. Mrs. Pickering sagt, er hatte schon mal Schwierigkeiten mit seiner sexuellen Identität.«
    »Ein heimlicher Transvestit, mit anderen Worten«, warf Jones ein.
    Miller warf ihm einen flüchtigen verärgerten Blick zu. »Mrs. Pickering sagte uns, er spaziere am Strand auf und ab und rede mit Gott.«
    »Und dabei versucht er, nicht an die knackigen Arsche seiner Chorknaben zu denken«, sagte Jones und ergab sich ganz seinen Vorurteilen.
    »Würden Sie die Klappe halten, Jones?«, forderte Miller ihn auf.
    »'tschuldigung«, erwiderte dieser grinsend.
    Die beiden kehrten zum Rover zurück und waren nur noch Sekunden davon entfernt, die Türen zuzuschlagen, als Charity mit durchdringender Stimme rief: »Sir! Sir! Können wir wirklich zwei Eier zum Frühstück haben? Danny sagt, das geht!«
    Miller zögerte einen Moment lang, dann stieg er aus, nahm erneut seine Sonnenbrille ab und fragte mich mit der
    Gelassenheit eines erfahrenen Polizisten: »Wie heißt das Mädchen?«
    »Charity«, antwortete ich. »Wieso?«
    Ohne auf meine Frage zu reagieren, rief Miller: »Charity? Komm doch mal bitte her, Charity!«
    Charity eilte barfuß über den Kies, ohne einen Augenblick zu zogern. Sie war es gewohnt, auf der Stelle zu reagieren, wenn Erwachsene etwas von ihr wollten. Sie lief zu Miller und machte einen Knicks.
    Miller sah Charity mit offensichtlicher Irritation an.
    »Ist er dein Onkel?«, fragte er und deutete mit der Brille auf mich.
    Charity sah mich ängstlich an, woraufhin ich versuchte, ihr ein >Ja< zu suggerieren, ohne dabei meinen gelassenen Gesichtsausdruck zu verändern, den ich angenommen hatte, als Miller noch einmal aus dem Wagen gestiegen war. Ich weiß nicht, wie mein Gesicht in jenem Moment aussah, auf jeden Fall musste es sonderbar genug sein, damit Charity mich perplex ansah und schließlich sagte: »Nein, Sir, er ist nicht mein Onkel.«
    »Ooh«, brachte Miller nachdenklich heraus. »Er isl nicht dein Onkel?«
    »Aber er ist ein mutiger Gentleman. Er hat mich gerettet, bei sich aufgenommen und mich gebadet.«
    »Ach, er hat dich gebadet?«
    »Oh, um Gottes willen, Sergeant«, warf ich ein. »Liz hat sie gebadet.«
    »Aber Sie sind nicht ihr Onkel.«
    »Ich benutze lieber das Wort Onkel.«
    »Aber Sie sind es nicht.«
    »Nein.«
    »Na gut«, sagte Miller mit dieser schrecklichen, unerträglichen Geduld in seinem Tonfall, den die Polizei anwandte, um Verdächtige so sehr zu langweilen, dass sie schließlich ein Geständnis ablegten. »Wenn er nicht dein Onkel ist, wer ist er dann?« »Er ist Dannys Papa. Er hat mich

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