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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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herauszufinden, was ich als Nächstes machen würde. Ich lauschte intensiv, und einen Augenblick lang glaubte ich, eine raues Almen zu hören, aber das war wohl nur der Wind.
    »Pssssssttt!«, wiederholte ich, diesmal noch nachdrücklicher.
    Es kam keine Reaktion. Ich hatte keine Angst vor der Dunkelheit, und ich hatte auch keine große Angst vor Tieren, nicht einmal vor Ratten. Ich hatte einen Freund, der in London für Islington Council Ratten fing. Einmal hatte er mich kilometerweit durch die Kanalisation geführt und mir schmierig graue Ratten gezeigt, die durch die Fäkalien der Menschen schwammen. Ich glaube, danach gab es nichts mehr, was mir Angst einjagen konnte.
    »Sie haben uns eine Woche lang im Chigwell Reservoir trainieren lassen«, hatte mein Freund gesagt, »damit wir einen menschlichen Körper sofort erkennen können.«
    »Ihr braucht eine Woche Training?«, hatte ich ihn ungläubig gefragt.
    Ich erklomm die letzte Stufe, machte einen großen Schritt und starrte weiter in die Dunkelheit. Am anderen Ende des I »achbodens konnte ich eine Gestalt ausmachen, aber ganz sicher war ich mir nicht.
    Sie war nicht so groß wie ein erwachsener Mann, es konnte gar kein Erwachsener sein, dafür war zwischen Dach und Boden kein Platz mehr. Aber auch kein Kind, denn dafür wirkte sie zu klobig. Andererseits existierte auch keine derart große Katze.
    Nein, meine Augen spielten mir sicher einen Streich. Es war vermutlich nichts Unheimlicheres als ein alter Pelzmantel, der über einem Stuhl lag. In der Dunkelheit sah ich Formen und sich bewegende Schatten, wo sich nichts befinden oder bewegen konnte. Ich sah, wie durchsichtige Kügelchen vor meinen Augen hin-und herschwirrten, Staub oder Tränen.
    Ich tat noch einen Schritt. Mein Fuß stieß gegen die Kante eines harten rechteckigen Objekts - eine Truhe oder eine Kiste. Ich horchte wieder, während ich leise atmete. Obwohl ich das Gefühl hatte, dass sich etwas auf dem Dachboden befand, das mich beobachtete und darauf wartete, dass ich mich noch weiter vorwagte, kam ich zu dem Entschluss, weit genug gegangen zu sein.
    Die Wahrheit war, dass ich sicher war, es sehen zu können. Etwas äußerst Finsteres, Kleines. Es bewegte sich nicht, sondern wartete angespannt, dass ich mich bewegte. Es war mir peinlich, so sicher zu sein. Die Logik sagte mir, dass es schlimmstenfalls eine Ratte sei.
    Ich hatte keine Angst vor Ratten. Genauer gesagt, ich hatte keine allzu große Angst vor Ratten. Ich hatte einmal versucht, einen Horrorroman über Ratten zu lesen, der nichts weiter bewirkt hatte, als mich friedlich einschlummern zu lassen. Ratten waren nur Tiere, und sie hatten mehr Angst vor uns als wir vor ihnen.
    »Pssssssttt!«, zischte ich etwas vorsichtiger und glaubte, dass es sich im gleichen Moment bewegt hatte.
    »Pssssssttt!«
    Keine Reaktion. Sogar der Wind schien den Atem anzuhalten. Die Luft auf dem Dachboden war wie erstarrt. Ich trat einen Schritt zurück, dann noch einen und suchte mit der Hand nach dem Treppengeländer. So gleichmäßig wie möglich zog ich mich in Richtung des schwachen Lichtscheins zurück, der vom Spiegel reflektiert wurde.
    Ich bekam das Geländer zu fassen. Da hörte ich das Ding wieder rumoren. Es bewegte sich, aber nicht fort von mir. Es zog sich nicht in irgendeine dunkle Ecke zurück, so wie es Ratten tun, sondern kam auf mich zu. Es bewegte sich sehr langsam und verursachte ein Geräusch, das nach Fell und Klauen klang, aber auch noch nach etwas anderem. Etwas, das mir zum ersten Mal seit dem Tag, da ich in die Kanalisation von Islington hinabgestiegen war, wieder Angst einjagte.
    »Pssssssttt! Geh weg! Husch!«, rief ich.
    Ich kam mir albern vor. Was, wenn da überhaupt nichts war? Ein Berg alter Wäsche, eine Taube, die auf dem Holzboden scharrte. Und überhaupt: Was sollte es sein außer einem Vogel oder einem kleinen Nager? Eine Fledermaus? Vielleicht. Aber Fledermäuse sind ungefährlich, außer sie haben Tollwut. Und Ratten? Die interessieren sich viel mehr für ihr eigenes Überleben, anstatt jemanden anzugreifen - es sei denn, sie sind ausgehungert oder fühlen sich in höchstem Maß bedroht. Ratten sind feige, weiter nichts.
    Ich stieß mit dem Rücken gegen das Geländer. So schnell wie möglich wollte ich jetzt den Dachboden verlassen. Als ich die oberste Stufe erreicht hatte, verrutschte der Teppich, der die Tür offen gehalten hatte, und die Tür fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss. Ich stand in völliger Finsternis

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