Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
einmal mit einem Aalkutter hinausfahren, um seinen Widerwillen zu überwinden?
Der Erzverweser ging zur anderen Seite des Achterdecks und starrte hinab auf das aufgewühlte Wasser. In Paulsburg musste man glauben, dass er tatsächlich die gefangene Prinzessin geholt hatte. Rodrik hatte schon recht. Es gab jetzt kein Zurück mehr. Wenn ruchbar wurde, wie sehr ihn die Komturin Lilianne genarrt hatte, dann machte er sich zum Gespött. So gut die Missionierung in den eroberten Provinzen auch voranging, eine solche Blöße durfte er sich als oberster Vertreter der Kirche Drusnas nicht geben. Sonst fühlte sich womöglich noch irgendein Scherzbold aus dem Pöbel berufen,
ein Kneipenlied über ihn zu dichten. Er war gezwungen, die Posse mitzuspielen. Noch ärgerlicher war die Tatsache, dass seine Träume, unter die Kirchenfürsten von Aniscans aufzusteigen, nun ebenfalls zunichte gemacht waren. Ihnen würde er nicht verschweigen können, was geschehen war. Sie mussten es wissen, damit Lilianne zur Rechenschaft gezogen wurde. Oder …
Charles lachte leise. Es gab noch einen ganz anderen Weg. Wer wusste schon um seine Schande? Diesmal wäre er es, der die Komturin überraschte. Wenn man es richtig anstellte, war mit diesem Bauernmädchen Dunja durchaus noch etwas anzufangen. Und seine Träume von Aniscans würde er nicht begraben!
Gut gelaunt verließ er das Achterdeck und zwängte sich durch die Tür der winzigen Kabine, die der Kapitän der Galeasse ihm überlassen hatte. Dunja erwartete ihn mit einem ängstlichen Lächeln. Lilianne hatte eine gute Wahl getroffen. Das Mädchen sah der Prinzessin wirklich ähnlich. Alles andere ließe sich regeln.
EIN KINDERTRAUM
Michelle saß in der Nische der Mauer, reinigte den Lauf einer der kostbaren Pistolen, die Luc hinter der Statue der weißen Frau versteckt hatte, und pfiff dabei die Melodie eines ausgelassenen Trinkliedes. Luc war es schleierhaft, wie die Ritterin die Waffen gefunden hatte. Er hatte ihr zwar erzählt, dass er
die Radschlosspistolen geopfert hatte, doch wo genau sie verborgen gewesen waren, hatte er ihr verschwiegen.
Besorgt sah der Junge zur weißen Frau. Ihr marmornes Gesicht verriet nicht, was sie von diesem Diebstahl hielt.
»Ich dachte, es sei eine Schande, die wunderbaren Waffen einfach verkommen zu lassen«, sagte Michelle gut gelaunt. Sie deutete mit dem Lauf der Waffe auf die Statue. »Der Steinklotz wird sie bestimmt nicht vermissen.«
Luc schluckte. Es war nicht gut, die weiße Frau herauszufordern.
Michelle schien ihm mühelos die Gedanken vom Gesicht ablesen zu können. Sie legte die Waffe nieder und stieg aus der Mauernische.
Es waren sieben Tage vergangen, seit er die Pestbeule aufgeschnitten hatte, und die Ritterin war völlig genesen.
»Komm, wir gehen ein wenig spazieren. Ich glaube, es bekommt dir nicht gut, dauernd in diesem Garten herumzulungern. «
Sie legte ihm kameradschaftlich einen Arm um die Schultern und zog ihn zu sich heran. »Weißt du, das einzige Wunder hier bist du. Dass du mich geheilt hast, ist …« Sie machte eine unbeholfene Geste. »Es ist ein Wunder.« Dann deutete sie wieder zu der Statue. »Und das dort ist nur ein Stein. Du musst dich nicht davor fürchten. Zugegeben, es ist ein besonders hübscher Stein, denn ein Künstler hat ihm die Form einer verführerischen Frau gegeben. Aber wenn du darüber hinwegsehen kannst, dann ist es nur ein Stein unter Steinen.« Sie machte eine weit ausholende Geste und deutete auf die Mauern, die den verborgenen Rosengarten einfassten. »Hast du vor den anderen Steinen etwa auch Angst?«
Luc schüttelte den Kopf. Er war allerdings nicht wirklich überzeugt von dem, was Michelle da sprach.
»Wenn es die Götter der Heiden wirklich gibt, warum sehen sie dann zu, wie die Kirche ein heidnisches Königreich nach dem anderen unterwirft? Entweder haben sie keine Kraft, diejenigen, die an sie glauben, zu beschützen, oder sie haben kein Interesse daran. Oder aber, es gibt sie erst gar nicht. Also besteht kein Grund, warum du sie fürchten müsstest.«
Luc nickte. Das klang vernünftig.
»Bei Tjured ist das anders. Ich spüre ihn in jedem Augenblick meines Lebens. Und manchmal, wie in der Nacht, als du mich gerettet hast, ist er mir besonders nahe.« Sie griff sich an die Brust. »Er ist dann in mir. Und er gibt mir Ruhe und Kraft. So wie er es bei allen wahrhaft Gläubigen tut. Und er ist …« Sie hielt inne und schüttelte den Kopf. »Ich predige ja.« Sie zuckte entschuldigend
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