Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
wagst?«
»Ich wollte immer ein Ritter sein und eine Prinzessin retten. Vor Trollen oder einem bösen Elfenfürsten, der sie entführt hat«, platzte es plötzlich aus ihm heraus. »Eine glänzende Rüstung und ein feuriges Pferd wollte ich haben. Und ein großes Schwert!«
Er stockte. Plötzlich war er wieder verlegen. Er wusste, dass diese Träume unerfüllbar waren.
»Das hört sich gut an.« Michelle lächelte verschwörerisch.
»Ich werde dir nichts vormachen … Prinzessinnen sind in diesen Zeiten sehr selten geworden. Und zum Glück sind auch Trolle und Elfen nur noch in Drusna und im Fjordland anzutreffen.«
Sie strich sich nachdenklich über das Kinn. »Bist du fest im Glauben?«
Luc schüttelte den Kopf. »Der Priester war nicht sehr glücklich mit mir.«
»Tja, und dann noch diese Sache mit der weißen Frau.« Michelle saß immer noch am Brunnenrand. Sie blickte auf ihre nackten Füße herab.
»Aber vielleicht hattest du ja die falsche Anleitung, Luc. Glaube kann wachsen.« Sie strich sich das Haar aus der Stirn.
»Ich denke, man könnte einen Ritter aus dir machen. Einen Streiter der Neuen Ritterschaft sogar. Du bist mutig und klug … Natürlich müsstest du fechten lernen und andere Dinge. Aber du bist noch nicht zu alt. Wenn ich dich vorbereite, vielleicht …« Sie deutete die Straße hinab. »Dort hinten gibt es ein Haus aus roten Ziegeln. Ganz in der Nähe habe ich einen Haselnussstrauch gesehen. Geh hin und schneide uns zwei Stecken ab, die etwa so lang wie mein Arm sind. Wir sollten heute schon beginnen, dich vorzubereiten. Schließlich haben wir nur ein Jahr.«
Luc setzte sich auf. »Du würdest mich unterrichten und einen Ritter aus mir machen?«
Sie zuckte mit den Achseln.
»Ich würde es versuchen. Was daraus wird, liegt letztlich an dir.«
Er sprang auf und lief mit klopfendem Herzen die Straße hinauf. Er hatte ja gehört, dass sie eine Fechtmeisterin war. Eine Fechtmeisterin der Neuen Ritterschaft! Eine bessere Lehrerin
konnte er nicht finden! Und sie wollte ihm Unterricht geben … Sie hätte gewiss die Macht, seine Träume wahr werden zu lassen!
Er fand den Strauch und schnitt die Stecken ab. Dann rannte er zurück. Er wollte keinen Augenblick verpassen.
Michelle stand ein paar Schritt neben dem Brunnen. Der Wind hatte dort an einer Stelle, wo sich das Pflaster abgesenkt hatte, Flugsand angeweht.
»Nimm einen Stecken und schreib deinen Namen in den Sand.«
Luc war wie vor den Kopf gestoßen. Was sollte das jetzt?
»Ich dachte, wir würden eine Fechtlektion …«
»Ich kann mich nicht erinnern, vom Fechten gesprochen zu haben«, entgegnete die Ritterin streng. »Wenn du auf der Ordensschule von Valloncour aufgenommen werden willst, musst du lesen und schreiben können.«
»Wozu braucht ein Ritter das? Das Lesen macht einem nur die Augen trüb!«
»Du glaubst also besser zu wissen als ich, was ein Ritter braucht …«
Luc sah sie trotzig an. »Wozu ist das Schreiben denn gut?«
»Was glaubst du, wie viele Stiefel eine Einheit aus tausend Pikenieren in einem Jahr aufträgt? Wie viel Schweinefleisch essen sie in einer Woche? Wie viel Waffenfett brauchen sie, um den Rost zu bekämpfen? Wie viel Scheffel Korn, um bei Kräften zu bleiben?«
»Ich wollte kein Krämer werden«, brummelte der Junge. »Ich wollte in Schlachten ziehen.«
Michelle lachte. »Tapferkeit zählt wenig, wenn deine Männer einen leeren Bauch haben. Wenn du deinen Nachschub nicht vernünftig organisierst, dann raubst du deinem Heer
seine Stärke und machst es zur leichten Beute für die Heiden. Zu den Neuen Rittern zu gehören, heißt mehr, als nur ein guter Fechter zu sein. Du musst vorbildlich sein, und das in jedem Bereich. Du wirst Männer führen … Und dann bist du dafür verantwortlich, dass sie nicht hungern. Schlachten wirst du in einem Jahr vielleicht zwei oder drei schlagen. Aber den Krieg um die Versorgung deiner Männer, den führst du jeden Tag.«
Luc sah sie zweifelnd an. Versuchte sie, ihn abzuschrecken? So hatte er sich das Rittertum nicht vorgestellt.
»Wenn du es tatsächlich schaffen solltest, auf der Ordensschule aufgenommen zu werden, dann wirst du lernen, bis du glaubst, dass dir dein Kopf platzt. Man wird dich lehren, wie ein Bein amputiert wird und wie man Fieber bekämpft. Du wirst dich auf der Ruderbank einer Galeere krumm schuften, deine Nächte damit verbringen, die Kunst der Nautik zu erlernen. Du wirst wissen, wie man Pulver mischt und wie man Geschütze ausrichtet.
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