Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Galeasse vernichtet hatte. Der Kobold Brandax behauptete, man habe ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt. Vielleicht wäre es klüger, doch nach den verborgenen Rasiermessern suchen zu lassen? Tiranu wartete seit der Schlacht am See auf einen Grund, ein paar der Ritter hinrichten zu lassen.
Yulivee erwog kurz, den Fürsten von Langollion darauf hinzuweisen, dass Bartwuchs ohne Messer wohl kaum zu bekämpfen war. Dann verwarf sie es. Diesem Schlächter würde sie nicht zuarbeiten … Am See hatte sie sich gehen lassen. Sie hatte nicht geahnt, was mit dem Schiff geschehen würde. Viel zu viel Blut klebte an ihren Händen … Nein, sie würde Tiranu nichts sagen. Sie wollte nicht noch mehr Tote.
Da Elfen kein Bart wuchs, war Tiranu offenbar bisher noch nicht daraufgekommen, was es bedeutete, dass ein Teil der Menschenkinder ebenfalls keinen Bart trug. Seine selbstherrliche Arroganz machte ihn blind. Hoffentlich würde Emerelle ihm heute das Kommando entziehen.
Yulivee umrundete das Jagdhaus und betrat die Terrasse vor dem Eingang. Nasse Banner hingen schlaff von den Stangen, die man entlang des Giebels aufgereiht hatte. Die Würdenträger der Menschenkinder drängten sich hier. Wie sehr sie sich bemühten! Und doch nahm der drückende Gestank nach nasser Wolle und Pelzen dem Augenblick, auf den sie alle warteten, schon jetzt seine Würde.
Emerelle würde sich nichts anmerken lassen. Niemand aus ihrem Gefolge würde das. Wahrscheinlich hatte die Königin die Größe, einfach darüber hinwegzusehen. Aber die anderen würden über die Menschenkinder spotten, wenn sie unter sich waren. Ihre stinkenden Verbündeten. Der Gedanke daran machte Yulivee wütend. Sie kämpften so tapfer. Sie hatten mehr Anerkennung verdient.
Yulivee zog sich hinter die Gruppe der Wartenden zurück. Die Krieger der Menschen bildeten ein langes Spalier entlang des schlammigen Weges, der zum Waldrand führte. Männer in Kettenhemden, mit Bärenfellen auf den Schultern, gestützt auf riesige Äxte und mit federgeschmückten Baretten bildeten dicht am Wald den Anfang. Ihnen folgten Trolle, Kobolde und andere Albenkinder, die ohne strenge Ordnung ihren Platz eingenommen hatten. Über ihren Häuptern hingen die Banner, die seit Jahrhunderten von Schlacht zu Schlacht getragen wurden, die silberne Nixe von Alvemer, die gekreuzten Kriegshämmer der Trolle, der goldene Nachen auf schwarzem Grund der Holden von Vahan Calyd. Fahnen, um die sich hunderte alte Geschichten rankten.
Eine Fanfare erklang. Die Mandriden, die Leibwache der Königsfamilie des Fjordlands, sammelten sich um das Zelt, das ein wenig abseits des Jagdhauses stand. Yulivee erkannte Sigurd. Der Hauptmann hatte seine Sache gut gemacht. Keiner hatte an seinen Worten gezweifelt, als er vor der Versammlung der Jarle und Bojaren berichtete, König Gunnar habe in Begleitung einer Handvoll ausgewählter Elfen die Verfolgung der Entführer aufgenommen. Der König galt als Held, und Heldenmut war immer schon eine gute Entschuldigung für Torheiten jeder Art gewesen.
Mit geschwärzten Brustplatten, ihren wilden Bärten, scharlachroten Umhängen und den großen Rundschilden sahen die Mandriden auf barbarische Art eindrucksvoll aus. Jeder Krieger führte sein eigenes Wappen, doch alle waren sie mit Schwarz und Rot auf weißen Grund gemalt. Verschlungene Knotenmuster, stilisierte Wolfköpfe, Adler, Rehe. Yulivee mochte diese Wilden. Sie hatten etwas Faszinierendes an sich, so wie ein weißer Wolf, dem man allein auf einem Schneefeld in einer Mondnacht begegnete. Und sie waren
treu. Sie waren die Einzigen unter den Menschenkindern hier, die Roxanne mit Sicherheit auch ohne Sigurds Lügen gefolgt wären.
Die Elfenmagierin tastete nach der dünnen Rosenholzflöte in ihrem Gürtel. Sie hatte lange nicht mehr darauf gespielt. Es war ein Instrument aus besseren Tagen, aus einer Zeit der Feste und der Sorglosigkeit. Behutsam setzte sie das polierte Mundstück an die Lippen. Yulivee dachte an die Krönungsfeiern im fernen Vahan Calyd, in einer anderen Welt. An den Ort, an dem die Trolle einst die Elfenkrone eroberten und an dem Emerelle aller Kriege und Intrigen zum Trotz so oft aufs Neue gekrönt worden war. Die Elfe schwelgte in Erinnerungen an die tausend Wohlgerüche des Waldmeers, an die Pracht der Fürsten Albenmarks und an die Magie der Krönungsnächte, wenn der Himmel im Glanz magischer Feuerwerke erstrahlte. All dies gesehen zu haben, gab ihr Kraft, als sie nach der Magie des Waldes griff und zu
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