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Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Titel: Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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verschließen. Irgendwo, tief unten im Turm, erhob ein einzelner Sänger seine Stimme. Sein Lied war eine Totenklage. Er sang vom heiligen Guillaume, den die Anderen lange vor seiner Zeit aus dem Leben gerissen hatten.
    Wie schön Lügen klingen können, dachte die Maurawani. Dann stieg sie die Treppe hinab. Sie führte in eine weitere, runde Gruft und von dort noch tiefer in den Turm. Wieder schritt sie Sarg für Sarg ab. Gishild war nicht hier. Sie war also wirklich einer falschen Fährte gefolgt! Das Herz wurde ihr leichter.
    Als sie erneut die Wendeltreppe betrat, die sich in marmornen Spiralen durch die Totensäle wand, verstummte der Sänger. Die Elfe verharrte. Es war unmöglich, dass er sie gehört hatte. Niemand hörte eine Maurawani, wenn sie es nicht wollte! Das musste ein Zufall sein!
    Silwyna stieg tiefer in den Turm hinab. Wieder las sie im warmen Licht Namen um Namen. Und dann entdeckte sie, was sie nicht hatte finden wollen.
    GISHILD GUNNARSDOTTIR
EINE VERLORENE SEELE
    Lange stand sie einfach nur da und sah die beiden Zeilen im Stein an. Das konnte nicht stimmen. So durfte es nicht enden!
    Die Elfe legte ihre Rechte auf den Deckel des Sarkophags. Sie schloss die Augen und ging in sich. Dann sprach sie ein Wort der Macht. Doch der Stein bewegte sich nicht.
    Sie versuchte es erneut und kämpfte den Ärger nieder, der sie in ihrer Konzentration störte. Doch wieder wollte es ihr nicht gelingen, die schwere Steinplatte zu bewegen. Sie hatte
so etwas befürchtet, falls sie fündig würde. Die Priester hatten vieles gelernt. So konnten sie inzwischen auch die Albensterne aufspüren und verschließen. Niemand wusste zu erklären, wie ihnen das gelang. Auch hier, in diesem Gräberturm, hatte die Magie Albenmarks keine Kraft mehr.
    Silwyna zog ihren Hirschfänger und zwängte die Klinge in die Fuge unter dem Sargdeckel. Allein ihr Gewicht hielt die schwere Grabplatte am Platz. Mit all ihrer Kraft stemmte sich die Elfe gegen den Stein. Unendlich langsam bewegte sich die Platte. Ihr Scharren hallte von den Wänden der Gruft wider. Das Geräusch würde sie verraten. Jetzt musste alles sehr schnell gehen!
    Endlich war der Spalt weit genug, dass sie ins Innere des Sarkophags blicken konnte. Gleich würde sie es wissen! Sie würde … Nein! In dem steinernen Sarkophag ruhte ein Sarg, der ganz in matt schimmerndes Bleiblech eingekleidet war. Sie würde noch eine Stunde oder länger brauchen, um die Wahrheit herauszufinden. Mit einem erschöpften Seufzer bettete sie ihr Haupt auf den polierten Marmor des Sarkophags. Und dann erklangen Schritte.
    Silwynas Dolch war fest zwischen den Steinen eingeklemmt. Ihr Rapier und ihren Bogen hatte sie in einem sicheren Versteck zurückgelassen, um beim Klettern nicht durch unnötigen Ballast behindert zu sein.
    »Wer ist da?« Die Stimme kam von der Wendeltreppe. Es war die Stimme des Sängers.
    Die Elfe verharrte. Sie würde keine Waffen brauchen, um einen einzelnen Mann zu töten. Aber was war, wenn es noch mehr Priester gab?
    In der Stille der Gruft klangen die Schritte auf der Treppe unnatürlich laut. Es waren vorsichtige Schritte. Fest, aber ein wenig zögernd gesetzt. Der Kopf des Sängers erschien. Er
wuchs plötzlich aus dem Boden hervor, dort, wo in der Mitte des Totensaals die Treppe in die Tiefe führte.
    »Wer ist da?«, rief der Priester noch einmal.
    Er musste allein sein, dachte Silwyna. Sonst hätten längst schon Wachen auf seine Rufe reagiert. Blondes Haar fiel dem Priester in weiten Locken auf die Schultern. Er war kaum dem Knabenalter entwachsen. Sein Gesicht war ebenmäßig und hübsch anzuschauen. Es war so blass, als verließe er niemals den Totenturm. Seine vollen, sinnlichen Lippen waren der einzige Farbfleck in diesem Gesicht. Die Elfe stutzte. Ja, so war es wirklich, denn die Augen des jungen Mannes waren wie aus Marmor. Zwei weiße, tote Kugeln, die ihm nicht verraten würden, wem er gegenüberstand.
    Einen Augenblick lang hatte Silwyna Mitleid mit ihm. Sein Gott hatte ihn so reich beschenkt. Hatte ihm eine – für einen Menschensohn – wunderschöne Gestalt verliehen und eine Stimme, die jedes Herz zu rühren vermochte. Doch er würde niemals sehen, wie sehr seine Stimme die Zuhörer bewegte.
    Der junge Priester trat von der letzten Stufe in das weite Rund des Totensaals. Hinter ihm erhob sich gleich einer verdrehten Säule die Wendeltreppe. Leise raschelte der Stoff seiner weiten, himmelblauen Priesterrobe.
    Silwyna fasste einen verwegenen Plan.

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