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Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Titel: Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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das war nur Lug und Trug, redete sie sich ein.
    Der Sarg aber war nicht leer. Sie blickte in das dunkle, eingefallene Gesicht eines jungen Mädchens. Die Leiche war nicht verwest. Sie war ausgetrocknet und erhalten geblieben. Aber es war schwer, in dem Gesicht Gishilds Züge wiederzuerkennen. Der Tod hatte es verändert.
    Vorsichtig tastete Silwyna über das kurze, rotblonde Haar. Ein paar Wochen hatte sie also noch gelebt, nachdem man sie in Paulsburg kahl geschoren hatte.

    Die Elfe atmete schwer aus. Man hatte der Toten ein zartes Leichenhemd angelegt. Ein Kragen aus feiner Spitze umschloss den dunklen Hals. Die Hände lagen gefaltet über der Brust.
    Verzweifelt suchte Silwyna nach einem Beweis, dass es nicht Gishild war, die sie gefunden hatte. Etwas Unverwechselbarem. Der Geruch der Lebenden war längst vergangen. Sie brauchte …
    »Gnadenvolle?«
    Die Elfe würdigte den Priester keines Blickes. Es gab etwas … Silwyna beugte sich vor. Behutsam griff sie nach den Händen der Toten. Das verschrumpelte Fleisch war eisig. Seine Kälte drang bis in Silwynas Herz. Sie zog die gefalteten Hände auseinander. Gelenke knackten. Ein schneller Schnitt durchtrennte die Brustschnüre des Totenhemds. Und dann sah sie den Einstich. Er saß dort, wo das Hemd durchbohrt worden war, das sie nahe dem Totenhain gefunden hatte. Das Hemd, das sie selbst Gishild geschenkt hatte. Die Wunde war ganz offensichtlich nicht verheilt. Der Leichenbestatter hatte sich bemüht, sie unter Schminke verschwinden zu lassen.
    Silwyna entdeckte noch einen zweiten Schminkfleck, ein wenig links vom Einstich. Sie rieb darüber. Trockene Paste zerkrümelte unter ihren Fingerspitzen und enthüllte ein daumengroßes Loch umgeben von einem dunklen Kranz. Eine Wunde von einem Schuss, der aus nächster Nähe abgefeuert worden war. Man hatte das Loch mit Leinen gefüllt, um es verschwinden zu lassen.
    Die Elfe hatte das Gefühl, dass ihr die Brust zu eng wurde, um noch weiter atmen zu können. Wilder, unbändiger Schmerz erfüllte sie. Sie wollte schreien! Sie wollte mit bloßen Fäusten auf den Priester einschlagen.
    Der Menschensohn sah sie an. Er zitterte. Spürte er, was in
ihr vorging? Seine Lippen öffneten sich. Er begann zu singen. Leise erst, doch dann wuchs seine Stimme zu all ihrer Kraft und erfüllte den weiten Saal. Er sang ein Totenlied.
    Seine Stimme linderte den Sturm von Silwynas Gefühlen. Vorsichtig kreuzte sie die Hände der Toten über der Brust. Lange sah sie die Hände an. Traurig strich sie über das kurze Haar. Dann beugte sie sich vor und hauchte der Toten einen Kuss auf die Stirn.
    Lautlos zog sie sich zurück. Noch immer peitschte der Winterwind gegen den Turm. Die eisige Luft war erfüllt von wirbelndem Schnee. Silwyna hinterließ keine Spur. Kein Mensch würde mit Sicherheit sagen können, ob nicht wirklich Handan die Gnadenvolle gekommen war, um eine verlorene Seele zu holen.

DU HAST GESCHWOREN …

    »Du hast geschworen, Schaden von deinen Brüdern und Schwestern fernzuhalten.
    Die Angeklagte nickt. Sie sagt mit leiser Stimme: Ja, dies war mein Bestreben in all meinem Handeln.
    Warum hast du dein Amt als Komturin von Drusna aufgegeben?
    Die Angeklagte: Weil ich nicht wollte, dass dies Amt durch meine Taten befleckt wurde. Ich hoffte, so würde es dem Orden möglich sein, Abstand von mir zu nehmen, falls ihm aus meinen weiteren Taten Schaden erwachsen sollte.

    Hast du den Eid vergessen, der uns alle miteinander verbindet? Wie sollten wir Abstand von dir halten, ohne unsere Ideale zu verraten?
    Die Angeklagte: Man hätte sagen können, ich sei von den Anderen fehlgeleitet worden. Wer den Anderen folgt, für den gelten die Gesetze des Ordens nicht länger. So steht es in …
    Schwester, wir kennen die Statuten unseres Ordens.
    Die Angeklagte senkt das Haupt: Natürlich.
    Wie rechtfertigst du, so viel Blut für eine Heidenprinzessin vergossen zu haben, die unserer Sache niemals diente?
    Die Angeklagte: Ich ahnte nicht, was geschehen würde.
    Wie konntest du sie einem Ordensbruder überlassen, dessen geistige Gesundheit im Zweifel stand?
    Die Angeklagte: Ich wähnte sie dort in Sicherheit.
    Bei einem Verrückten?
    Die Angeklagte: Ich dachte …
    Wirklich, du dachtest, Schwester? Den Eindruck erwecken deine Taten nicht. Deine Taten vertieften den Graben zwischen Blutbaum und Aschenbaum. Als Komturin wusstest du, wie nahe die Kirche in jenen Tagen dem Schisma war. Wie konntest du so unverantwortlich handeln?
    Die Angeklagte: Ich

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