Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
hallte über die Lichtung. Luc rann der Schweiß in die Augen. Er bemühte sich nach Kräften. Doch all seine Angriffe lenkte Michelle mit Leichtigkeit ab. Schneller und schneller wurde das Klingenspiel. Jeden Angriff, jede Finte schien sie schon im Voraus zu erahnen.
Sie versetzte ihm mit der Breitseite der Klinge einen spielerischen Klaps auf den Schwertarm. Er trat einen Schritt zurück und hob seine Klinge zum Fechtergruß. Er war zu Tode erschöpft. Die letzte Nacht hatte er kaum geschlafen.
Müde ließ er sich ins Gras fallen. Michelle war kaum außer Atem geraten. Es war ihre Idee gewesen, ihm die Stunden bis zum Erweckungsfest mit weiteren Fechtlektionen zu verkürzen.
»Ich muss dir nur in die Augen sehen, dann weiß ich, auf welche Art du angreifen willst«, sagte sie breit lächelnd.
Es ärgerte Luc, dass er so leicht zu durchschauen war. »Werde ich das auch einmal lernen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das ist keine Frage von Fleiß. Manchen ist es gegeben. Anderen nicht. Wir werden sehen, wie es mit dir ist. Ich werde nun die Pferde holen. Komm du erst mal wieder zu Atem.«
Müde und zufrieden sah er ihr nach. Alles hatte sich geändert, an einem einzigen Tag. Es war wieder so wie ganz zu Anfang im Rosengarten. Michelle würde sich für ihn einsetzen, da war er sich ganz sicher. Aber würde Leon nachgeben? Und sie waren spät dran! Die Zeremonie, bei der die Novizen aufgenommen wurden, sollte zur Mittagsstunde des Mittsommertages abgehalten werden. Besorgt blickte der Junge zum Himmel. Die Sonne stand schon fast im Zenit.
Michelle kehrte mit den Pferden zurück, und sie machten sich auf den Weg.
Sie ritten über grünes Hügelland und passierten bald eine lang gezogene Bodensenke. Der Grund war mit schwarzem Schlamm bedeckt, in dem ein schmaler Bachlauf versickerte. Dicke Ketten waren zwischen Pfählen gespannt. Wie ein Netz zogen sie sich über den Schlamm. Die Hügelflanken waren fast auf der ganzen Breite mit steinernen Stufen bedeckt. So etwas hatte Luc nie zuvor gesehen. Die Glieder der Ketten waren fast so dick wie sein Arm. Der Platz war ihm unheimlich.
»Was ist das für ein Ort, Michelle?«
Die Ritterin war in Gedanken offenbar ganz woanders. Sie blickte flüchtig über die Schulter.
»Wie sieht es denn aus?«
Luc betrachtete die schlammige Senke. Wie sollte man etwas einen Namen geben, das man noch nie zuvor gesehen hatte? Die Pfähle erhoben sich etwa zwei Schritt weit über den Schlamm. Breite Eisenklammern hielten die Ketten oben auf den Pfählen. An den beiden Enden der Schlammgrube liefen jeweils drei lange Ketten auf einen einzelnen Pfahl zu. Dazwischen lag ein Netzwerk kreuz und quer gespannter Ketten. Die Anlage war etwas mehr als hundert Schritt lang; in der Mitte, an der breitesten Stelle, maß sie vielleicht fünfzig Schritt.
»Es sieht aus, als wolle man etwas im Schlamm gefangen halten«, sagte Luc schließlich.
Michelle wandte sich erneut um.
»Genau. So ist es. Tief im Schlamm liegt ein Drache verborgen, und die Ketten verhindern, dass er seine Flügel strecken und davonfliegen kann.«
Es gab keine Drachen, dachte er verärgert. Sie trieb ihren Spaß mit ihm. Elfen und Trolle gab es, Kobolde und noch allerlei andere seltsame Geschöpfe. Aber Drachen … Die kamen nur in Kindermärchen vor!
Er schwieg verärgert und folgte ihr durch einen weiten Waldstreifen. Plötzlich erklang Hufschlag. Hinter ihnen tauchten Reiter auf. Sie folgten nicht dem Weg, sondern kamen einzeln oder in kleinen Gruppen zwischen den Bäumen hervor. Sie trugen lange weiße Gewänder, fast wie Frauenkleider. Den Saum hatten sie hochgeschlagen. Sie waren barfuß, Männer wie Frauen. Eine Reiterin mit kurzem blondem Haar winkte Michelle zu.
Luc fühlte sich in seinen abgetragenen Sachen fehl am
Platz. Er hatte sich am Morgen gewaschen und gründlich die Haare gekämmt. Aber nach der Fechtstunde war er wieder verschwitzt und zerzaust. Er hätte sich darauf nicht einlassen sollen!
Der Wald lichtete sich. Vor ihnen erhob sich eine steile, grauweiße Felswand. Und am Fuß des Felsens war ein weites Becken in den Stein geschlagen. Es hatte eine seltsame Form, wie ein riesiges schmales Blatt oder eine Speerspitze.
Am Rand des Beckens hatten sich etwa hundert Knaben und Mädchen versammelt. Auch sie trugen die langen weißen Gewänder. Mitten unter ihnen stand Leon.
Michelle hielt auf ihn zu. Sie zügelte ihr Pferd und schwang sich aus dem Sattel.
Luc zog die Zügel an. Er fühlte sich, als
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