Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
dass Leon Luc geradezu aus der Seele sprach. Der Junge ertappte sich dabei, wie er zustimmend nickte. Ein rascher Seitenblick verriet ihm, dass er der Einzige war, der so reagierte.
Plötzlich wurde das Wasser ein wenig wärmer. Einen Herzschlag lang währte es nur. Es war wie eine sanfte Berührung. Luc starrte das Mädchen vor sich an. Sie hatte doch nicht etwa … Jetzt lächelte sie auch noch trotzig! Das war unglaublich! Wie konnte sie so etwas tun!
Vielleicht hatte sie in dem eisigen Wasser nicht an sich halten können? Sie war ja nur ein Mädchen. Einen anderen Grund konnte es nicht geben!
»So wie bei diesem Felsstück in der Steinmühle das Erz vom tauben Gestein getrennt wird, so werden wir hier nach dem Besten in euch suchen. Und ich verspreche euch, ihr werdet euch fühlen wie dieser Steinklumpen, wenn er zwischen mächtigen Walzen zermalmt wird. Nicht alle von euch werden es bis zu der Nacht vor Mittsommer in sieben Jahren schaffen. Einige werden einfach aufgeben.«
Er zog aus einer verborgenen Tasche seines Gewandes eine Lanzenspitze und hob sie hoch über den Kopf.
»Jene aber, die nicht aufgeben, werden wie diese Lanzenspitze sein. Ihr werdet die Ersten sein im Kampf gegen die Feinde Tjureds. Die Ritter vom Aschenbaum und die Soldaten in Diensten der Kirche sind nur der hölzerne Schaft, der die Lanze ins Ziel bringt. Ihr aber werdet unseren Feinden den
Todesstoß versetzen. Ihr werdet ihnen das Fleisch zerreißen. Ihr werdet die Anderen auf immer vertreiben. Und wenn dies vollbracht ist, dann wird Frieden herrschen in Gottes Welt, für immerdar. Und aus euch Löwen werden Lämmer werden, die inmitten der Herde der Tjuredkinder aufgenommen werden. Und ihr werdet eine Welt erschaffen haben, in der Gottesfriede herrscht und in der alle Menschen wie Brüder und Schwestern sind. Und wie Brüder und Schwestern werdet ihr Kinder nun für immerdar sein. Zeugen, tretet vor!«
Es kam Bewegung in die Reihen der Männer und Frauen, die das weite Becken umstanden.
Luc sah Michelle. Sie war eine der Ersten, die ins Wasser stiegen. Neben ihr ging ein hagerer Kerl, dessen rechter Ärmel leer herabhing.
»Zeugen, tretet an die Seite der Kinder, die ihr als würdig erwählt habt!«, befahl Leon.
Michelle fasste ihn bei der Hand. Ihre Traurigkeit schien verflogen. Stolz sah sie nun aus.
»Höret, Kinder, in dieser Quelle badete einst der heilige Jules, und er haderte mit Tjured, denn die Anderen hatten den heiligen Guillaume getötet, und Jules’ Herz war voller Traurigkeit. Da sprach Gott zu ihm, er möge der Kirche einen Schild geben, der sie vor den Pfeilen der Anderen schütze, und er möge ihr ein Schwert geben, um die Anderen zu vertreiben. Und so machte sich Jules auf die Suche nach dem Mann, der unserer Kirche Schwert und Schild erschaffen würde. Auf diese Weise entstand der Orden vom Aschenbaum. Doch in der ersten Nacht seiner Suche, da träumte der Heilige, dass sich Schwert und Schild eines fernen Tages aus jener Quelle erheben würden, in der er gebadet hatte.«
Völlig überraschend packte Michelle Luc ins Haar und zog ihn nach hinten. Er stürzte ins eisige Wasser. Prustend
schlug er um sich, als die Ritterin ihm auch schon wieder aufhalf. So wie ihm war es auch allen anderen ergangen. Nass und zitternd standen sie beieinander.
»Nun ist eure Kindheit von euch gewaschen.«
Leon sprach in einem Ton, der Luc ins Herz griff. Der Junge erschauderte.
»Ich heiße euch willkommen, Novizen der Neuen Ritterschaft. Von euch gewaschen sind Stand und Vergangenheit. Nun seid ihr Brüder und Schwestern. Einander seid ihr verbunden und nicht länger der Welt. Sieben Lanzen werden wir schmieden mit diesem siebenundvierzigsten Jahrgang von Valloncour.« Leon breitete die Arme aus und streckte sie dem Himmel entgegen.
»Tjured, Herr des Himmelszeltes und des Weltenrundes. Sieh gnädig herab auf diese Novizen, die einst dein Schwert und dein Schild sein wollen. Und füge du sie zusammen zu jenen Lanzen, die nicht brechen werden, bis der Letzte von ihnen heimgekehrt ist zu den Türmen Valloncours.«
Luc blickte zum wolkenlosen Sommerhimmel empor. Ihm war so feierlich zumute, dass er fest damit rechnete, ein Zeichen Tjureds zu entdecken. Er wusste nicht, was es sein würde, aber er spürte, an diesem Tag würde ein Wunder geschehen.
Die Zeugen zogen sich langsam aus dem Becken zurück und reihten sich wieder entlang des Randes auf. Die nassen Gewänder zeichneten ihre Körper nach. Die Körper von
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