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Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Titel: Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Manchmal überlegte er, auf den Tempelturm zu steigen und aus dem höchsten Fenster zu springen. Wenn er sich Tjured opferte, vielleicht würden dann alle Stinker wieder auferstehen? Vielleicht würden auch seine Mutter und sein Vater wieder in ihr Fleisch fahren? Vielleicht waren er und seine vermessenen Träume der Grund für alles Unglück? Vielleicht hatten ihn die Anderen in der Nacht seiner Geburt gestohlen und gegen einen Wechselbalg ausgetauscht, der dazu bestimmt war, allen Unglück zu bringen, die ihm begegneten? Vielleicht lebte der wirkliche Luc irgendwo jenseits der Zauberpforten in der Welt der Elfen und Trolle, und er ahnte gar nicht, dass ihm sein Leben gestohlen worden war.
    Ein Geräusch ließ den Jungen innehalten. Etwas kratzte an der Tür. Draußen war es dunkel geworden. Das Zwielicht war dichter Finsternis gewichen.
    Luc zog seine klebrige Hand unter der Rotznase hindurch
und hielt den Atem an. Da war das Geräusch wieder. Beharrlich. Er wusste, wer hinter der Tür lauerte. Grauauge! Ob er wohl durch die dicken Holzbretter kommen würde, wenn er nur lange genug daran scharrte? Die Nähe des Wolfes ließ Luc alle düsteren Gedanken vergessen.
    Der Junge kroch unter dem Tisch hervor und schlich an den Bohnensäcken vorbei zur Falltür. Er machte nicht mehr Lärm als ein Mäuslein, dennoch verstummte das Geräusch. Luc wagte kaum zu atmen. Wie hatte es Grauauge hierhergeschafft? Der Wolf … Nein, nein! Dieser räudige Hungerleider. Dieses Biest … Es wusste, dass Luc hier hinter der Tür war. Und es wollte ihn fressen.
    Dem Jungen war ganz übel vor Angst. Er malte sich aus, wie das sein würde, gefressen zu werden … Wie sich Grauauges Fänge in sein Fleisch gruben. Wie er knurrend daran zerrte, bis es von den Knochen riss. Und je deutlicher Luc es sich vorstellte, desto weniger war er in der Lage, noch etwas zu tun. Die Angst war wie ein lähmender Zauber. Er sollte weglaufen oder sich zumindest irgendeine Waffe suchen! Wenn doch nur sein Vater hier wäre! Der hatte niemals Angst gehabt.
    Hinter der Tür begann wieder das Kratzen.
    Luc schämte sich. Er zitterte wie ein Mädchen! Es war gut, dass sein Vater ihn so nicht sah. Wie oft hatte Luc davon geträumt, wie er als Held gegen die Anderen in den Krieg zog. Einer der stolzen Reiter des Grafen … Und jetzt stand er hier und machte sich fast in die Hosen. Seine Angst schlug um in Wut. Nein, dass durfte nicht sein! Wenn Grauauge ihn erwischte, dann bestimmt nicht mit benässter Hose. Er würde bis zuletzt gegen den Wolf kämpfen. Dem würde es noch leidtun, sich mit ihm angelegt zu haben.
    Auf Zehenspitzen ging Luc zu der Falltür in der Mitte der
Kammer und öffnete sie vorsichtig. Die eisernen Angeln quietschten leise. Er würde nicht warten, bis Grauauge durch die Tür kam. Er würde den Kampf aufnehmen!
    Luc schlich die enge Stiege hinab, die zu der fensterlosen Kammer führte, in der die Schinken und Würste aufgehängt waren. Das dicke Mauerwerk hier hielt die Sommerhitze fern. In der Dunkelheit duftete es nach kaltem Rauch und dem Salz, mit dem die Schwarten eingerieben waren. Vorsichtig tastete sich Luc zu der Tür, die zur kleinen Küche führte. Hier wurde nur gekocht, wenn der Graf Gäste im Rosenholzsalon bewirtete.
    Luc nahm sich ein Schüreisen, das neben der Feuerstelle hing. Er hatte nicht die Absicht, es zu benutzen. Diesmal würde er dem Wolf mit einer angemessenen Waffe zu Leibe rücken. Den langen Eisenhaken nahm er nur mit, falls Grauauge ihn erneut überraschte.
    Im Rosenholzsalon versuchte er so weit wie möglich auf dem schweren Teppich zu gehen. Die dicke Wolle war seine Verbündete und schluckte das Geräusch seiner Schritte. Unter zwei gekreuzten Säbeln an der Wand lag die Tür zum Jagdzimmer. Obwohl der Raum groß war und vollgestopft mit Trophäen, hätte er sich dort mit verbundenen Augen bewegen können. Ungezählte Nachmittage hatte er mit seinem Vater im Jagdzimmer verbracht und mitgeholfen, die Waffen und Rüstungen des Grafen zu pflegen. Der Schrank mit der Bleiglasfront war sein Ziel. Dort waren …
    Durch die Fenster des Rosenholzsalons fiel flackerndes Licht. Luc blickte durch die Scheiben, die so dick wie Flaschenböden waren. Auf dem Hof vor dem verwaisten Gestüt bewegten sich Schattengestalten mit Fackeln. Der Junge spürte, wie sein Herz einen Satz machte. Jemand war gekommen, um ihn zu holen! Endlich!

    Er trommelte mit den Händen gegen die Scheiben. »Hierher! Hier oben bin ich!« Die schweren

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