Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Luc … Der Junge ist mir unheimlich. Als ich seine Füße geschlagen habe … Ich habe einen gespleißten Rohrstock benutzt.
« Er senkte den Blick. »Und ich habe ihn dorthin geschlagen, wo die Haut unter den Füßen am dünnsten ist. Mit aller Kraft. Mein Zorn ist mit mir durchgegangen. Ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe. Aber der Junge … Ich sah, wie die Haut aufriss. Und dann hat sich die Wunde sofort wieder geschlossen. Dreimal ist das passiert … Dann haben seine Füße geblutet, so wie sie es von Anfang an hätten tun sollen. Ich habe heilende Hän … Ich habe eine heilende Hand. Du auch, Bruder Primarch. Wir wissen, was für Kräfte in uns ruhen. Wir können Leben retten, wo jeder andere Heilkundige versagt. Ich kann Fieber vertreiben, wenn ich mich an das Bett eines Kranken setze und ihm meine Hand auf die Stirn lege und bete. Aber das … Er hat gar nichts getan. Er konnte die Fußsohlen nicht einmal mit der Hand berühren. Doch die Wunden haben sich geschlossen. Wie von Zauberhand. Was ist mit dem Jungen? Wird er ein Heiliger sein, oder müssen wir ihn fürchten?«
Wenn ich das nur wüsste, dachte Leon bei sich. Wunden, die von alleine heilten! Welche Macht! Luc konnte Gottes Antwort auf all ihre Sorgen sein. Einer wie er würde es schaffen. Er würde den Plan, den Bruder Alain einst ersonnen hatte, Wirklichkeit werden lassen. Er könnte dem Orden den einen großen Sieg schenken, der alle, die von Ketzertum und Häresie sprachen, um von ihrer eigenen Untugend abzulenken, auf immer verstummen ließe. »Wir müssen ihn beobachten, Bruder Drustan. Und wir dürfen uns nicht vor der Zeit ein Bild von ihm und seiner Art machen, damit unser Blick nicht getrübt wird. Ich setze große Hoffnungen in Luc de Lanzac. Wenn er von der rechten Art ist, dann wird er bald zur Bruderschaft gehören.«
»Wann wirst du ihn prüfen?«
»Wenn seine Zeit gekommen ist«, entgegnete Leon ausweichend.
Er wusste es nicht. Er musste ein Heiler sein. Das hatte er bewiesen, als er Michelle gerettet hatte. Und nun das … Seine Begabung übertraf alles, was die Bruderschaft bisher gekannt hatte. Oder aber, sie war etwas ganz anderes. Was war, wenn nicht die Macht Tjureds, sondern die verabscheuungswürdige Magie der Anderen in ihm wirkte? Die Prüfung würde es enthüllen … ganz unzweifelhaft.
Leon blickte zu dem Jungen, der sich hinkend zum Flaggenpfahl schleppte. Er mochte ihn. Aber wenn er ein Wechselbalg war, dann müsste er ihn töten.
IM SCHLAMM VERBORGEN
Gishild hörte das Spottlied und ärgerte sich. Gestern noch wäre es ihr egal gewesen. Sie hatte sich so sehr gewehrt. Aber jetzt gehörte sie dazu. Drustans grausame Prügelstrafe hatte sie vereint. Gishild war eine Löwin.
Wie alle anderen stützte sie sich schwer auf den gepolsterten Kampfstab und hinkte langsam den Hügel hinauf. Sie alle hatten diese Waffe zum Buhurt wählen müssen, denn den langen Stab konnten sie wie eine Krücke benutzen, und ohne Krücke hätte wohl keiner von ihnen den Weg zur Schlammgrube geschafft.
Anne-Marie weinte leise. Giacomo rannen wahre Tränenbäche übers Gesicht.
»Ich hoffe, dein Ausflug gestern Nacht war es wert, dass wir allesamt hinken«, maulte Raffael.
Luc war sehr still. Ihn hatte es am schlimmsten von allen erwischt. Als Einziger hatte er zwanzig Schläge bekommen. Aber er ließ sich kaum etwas anmerken. Gishild blickte zu den bandagierten Füßen des Jungen. Rote Blutflecken blühten auf dem weißen Leinen.
»Der Nordstern war sehr schön gestern Nacht«, entgegnete Luc knapp, und er warf ihr einen Blick zu, zu flüchtig, um den anderen verdächtig zu erscheinen.
Meinte er etwa sie mit dem Nordstern? Bestimmt nicht! Jungs hatten für die Sprache der Dichter nichts übrig, es sei denn, es ging um Spottverse oder unzüchtige Trinklieder.
Sie erreichten die Hügelkuppe. Als sie zur Schlammgrube hinabstiegen, verstummten die Sänger einer nach dem anderen. Es waren sehr viele Novizen gekommen. Das Spiel zwischen den beiden schlechtesten Mannschaften hatte hohen Unterhaltungswert versprochen. Auch viele ältere Novizen und etliche Magister und Ritter waren unter den Zuschauern. Sie alle starrten sie an. Die vierzehn hinkenden Kinder. Und dann begannen sie zu tuscheln.
Gishild sah, wie mehrere Ritter zu Leon liefen. Michelle tauchte aus der Menge auf.
»Was, bei den Anderen, ist hier geschehen?«
»Frag Drustan!«, antwortete Joaquino für sie alle.
Die Fechtmeisterin blickte zu Luc, doch dieser
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