Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
schüttelte nur den Kopf. »Der Kapitän spricht für uns alle!«
Michelle wollte nicht aufgeben.
»Anne-Marie, sag mir, was hier los ist!«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. Ihr Schluchzen wurde ein wenig lauter. Sonst kam kein Laut über ihre Lippen.
Leon breitete seine Arme aus. Er stand ganz oben auf den Zuschauerrängen. Neben ihm war Drustan. Der Primarch sah eindrucksvoll aus, dachte Gishild. So ganz in Weiß mit seinem
wallenden Bart und der Augenklappe, die ihn verwegen aussehen ließ, hätte er einen guten Firn-Priester abgegeben.
»Brüder und Schwestern!«
Die Stimme des alten Ritters reichte bis zu den letzten Rängen. Schlagartig wurde es still.
»Wie ich hörte, hat die ganze Lanze der siebenundvierzigsten Löwen in der vergangenen Nacht gegen eine unserer Regeln verstoßen. Sie haben alle bekannt, sich im Dunkeln unerlaubt aus der Schlafbaracke entfernt zu haben. Und sie alle haben die dafür gebührende Strafe empfangen. Dennoch wollen sie spielen. Das nenne ich wahres Rittertum! Euren Frevel will ich vergessen. Ihr seid bestraft, und damit ist er gesühnt. Woran ich mich künftig erinnern möchte, wenn ich an diesen Tag denke, sind vierzehn Novizen, die bereit waren, als die Pflicht sie rief. Novizen, die selbst verwundet noch zum Kampf auf dem Kettengeflecht antraten. Ich wünsche euch Glück, Löwen!«
Gishild bemühte sich, ein wenig gerader zu gehen. Die Worte des Primarchen hatten gut getan. Sie hatten sie stolz gemacht. Jemand klopfte ihr auf die Schulter. Ein Novize, dem schon der erste Bartflaum spross, grinste sie an.
»Zeigt es ihnen, Löwen.«
Gishild schluckte. Sie gehörte dazu. Zum ersten Mal versuchte sie, sich dem nicht mehr zu widersetzen. So weit sollte es nie kommen … Sie war eine Löwin geworden! Plötzlich … Über Nacht. Das war Lucs Tat. Und Joaquinos …
Sie stiegen die Planken hinauf zum Fahnenmast. Giacomo stürzte. Ihren ersten Verlust hatten sie erlitten, bevor das Spiel begann.
Gishild hielt ihren Stab quer vor der Brust. Sie benutzte die Stange, um das Gleichgewicht zu halten, wie sie es in den vorangegangenen Spielen gelernt hatte.
»Wir müssen die neun besetzen«, rief Joaquino. »Dort muss jeder nur gegen einen Gegner widerstehen. Die Dreier können wir nicht halten. Luc, Bernadette und Gishild, ihr bleibt bei den Dreiern und rückt nach, sobald einer fällt. Viel Glück, Löwen!«
Gishild sah zu, wie die anderen schwankend auf den Ketten entlangliefen. Jeder Schritt auf den zerschlagenen Sohlen war von peinigenden Schmerzen begleitet. Die Prinzessin versuchte ganz fest an etwas anderes zu denken. Lucs Gesicht drängte sich ihr auf. Er hatte traurige Augen. Warum wohl? Seit mehr als einem halben Jahr waren sie in einer Lanze, und sie wusste fast gar nichts über ihn. Er erzählte viel weniger von sich als die anderen Novizen.
Raffael fluchte wie ein Kobold und stürzte kopfüber in den Schlamm. Im selben Augenblick erklang die Fanfare. Das ungleiche Spiel gegen die Äxte war eröffnet. Anne-Marie hinkte über die Planken zum Fahnenmast. Sie würde dort bleiben. Jetzt schon hatten sie keine Reserven mehr für das Spiel.
Die Äxte näherten sich sicher über das Kettengeflecht. Sie gingen mit allen Spielern zum Angriff über. In ihren Gesichtern strahlte ein siegessicheres Lächeln. Es war unmöglich, diesen Buhurt gegen die fußkranken Löwen zu verlieren.
Luc machte sich auf den Weg, um die Lücke zu schließen, die entstanden war, als Raffael gestürzt war.
»Löwen!«, feuerte Michelle sie von den Rängen an. Wie eine Novizin war sie aufgesprungen, hatte eine Faust hoch in die Luft gereckt und rief immer wieder: »Lö-wen! Lö-wen!« Ihre Schwester, die narbengesichtige Feldherrin aus Drusna, stimmte in den Schlachtruf mit ein. Andere Ritter schlossen sich ihnen an.
Die Kampfreihen prallten aufeinander. Und schon in den ersten Augenblicken stürzten drei Löwen. Es war aussichtslos!
Sie konnten das Gleichgewicht nicht halten. Bernadette eilte vor. Und auch Gishild versuchte einen der vorstürmenden Spieler der Äxte aufzuhalten, einen bulligen Kerl, der einen sandgefüllten Ledersack als Waffe trug.
Tränen standen ihr in den Augen, als sie auf den rostigen Ketten lief. Am Morgen hatte es kurz geregnet. Ein schmieriger Rostfilm überzog das alte Eisen. Die nassen Verbände an ihren Füßen fanden keinen Halt. Es hatte nichts mit Können zu tun, sich auf den Ketten zu halten. Es war reines Glück!
Gishild konnte keinen wuchtigen Schlag
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