Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Titel: Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
würdest du bitte den Jungen hereinbringen? Ich möchte, dass er mit ansieht, was gleich geschieht.«
    »Ist das nötig?« Die Worte kratzten wie kantige Kiesel in Michelles Kehle.
    Honoré sah sie mitleidig an. »Muss ich dich daran erinnern, wie ein Gottesurteil ausgetragen wird? Wenn du dein Leben in Tjureds Hand legen willst, um mit der Waffe für einen Verurteilten einzutreten, dann muss der Delinquent dabei zugegen sein. Doch bedenke, du musst das nicht tun! Niemand würde dir Vorhaltungen machen, wenn du deinen Fehler einsiehst und deine Herausforderung zurücknimmst.« Er sah in die Runde. Und Michelle folgte seinen Blicken.
    Frederic nickte. »Es ist wirklich ein Fehler. Wir sind doch eine Lanze … Brüder und Schwestern, gemeinsam aufgewachsen im Dienst an Tjured.«
    Michelle konnte an Corinnes Blick ablesen, dass sie nicht mit einem Rückzieher rechnete.
    Und Nicolo … Er hielt sich wieder einmal heraus. Er sah ihnen nicht in die Augen, sondern begutachtete die beiden Sattelpistolen.
    »Er ist doch nur ein Kind …«, wandte Michelle ein.
    Hinter ihrem Rücken erklang das unverwechselbare Geräusch, mit dem die Feder einer Pistole gespannt wurde. Die Ritterin musste nicht hinsehen, um zu wissen, wie Nicolo den Schlüssel auf den Vierkant setzte und mit einer vorsichtigen Drehung die Feder im Radschloss spannte. Kalter
Schweiß stand ihr auf der Stirn. Ihre Glieder schmerzten. Den ganzen Tag schon fühlte sie sich unwohl. Dieses Gottesurteil war so unnütz, dachte sie müde.
    »Ein Kind?«, fuhr Honoré sie an. »In meinen Augen ist er ein Wechselbalg. Eine tödliche Gefahr für den Frieden in Gottes Welt.« Das Antlitz des Ritters war von Schweiß überströmt. In seinen Augen glänzte der Wahn. Er war besessen davon, Tjureds Werkzeug zu sein.
    Frederic holte Luc und Bartolomé. Honoré erklärte ihnen kurz, was geschehen würde. Der Junge wirkte verstört. Er sah Michelle an. Sie versuchte zu lächeln. Sie hätte ihm gern gesagt, dass alles gut werden würde und er keine Angst haben müsste, aber ihr versagte erneut die Stimme. Sie hatte selbst Angst.
    Nicolo brachte die beiden Pistolen. Es waren zwei schwere Waffen. Ein Paar, das genau gleich aussah. Die Silberbeschläge an den Griffen waren leicht angelaufen. Sie zeigten einen Reiter im vollen Galopp. Einen Pistolenschützen mit drohend erhobener Waffe.
    »Ich treffe die erste Wahl«, sagte Honroré. »Du hast das Gottesurteil herausgefordert, Michelle, also steht es mir zu, die Waffe zu wählen!«
    Nicolo trat an das Lager des Verwundeten. Honoré hatte kaum die Kraft, die Pistole zu halten, die er sich aussuchte.
    Michelle griff nach der verbliebenen Waffe. Sie wog sie in der Hand. Bei ihren eigenen Sattelpistolen konnte sie blind sagen, ob sie geladen waren. Bei dieser Waffe war das unmöglich einzuschätzen.
    Honoré stützte seine Pistole auf der Hüfte auf. Mit obszöner Geste winkte er ihr mit dem Lauf zu. »Komm her, Michelle. Seien wir ein letztes Mal einander so nahe wie in vergangenen Zeiten.«

    Das war das Letzte, was sie wollte. Die Nacht an der Bresna hatte alle Bande zwischen ihnen durchtrennt. Sie würden einander nie wieder nahe sein! Sie trat an sein Lager. Für einen von ihnen würde dies der Abschied vom Leben werden. Und nur Tjured wusste, wen er zu sich rufen würde.
    »Lass den Jungen brennen, er ist es nicht wert«, flüsterte Honoré.
    »Lass ihn ziehen, und es wird kein Gottesurteil geben«, entgegnete Michelle.
    Der fiebrige Wahn war aus Honorés Augen gewichen. Plötzlich sah sie in ihm wieder den jungen Ritter, in den sie sich einst verliebt hatte.
    Zitternd reckte sich sein Pistolenlauf ihrem Gesicht entgegen. »Du hast entschieden. Nun soll Tjured über uns richten«, sagte er traurig.
    Michelle war erschüttert. Sie wusste, was eine schwere Bleikugel, abgefeuert auf so kurze Entfernung, mit einem Gesicht anstellte. Er wollte ihr Antlitz aus seiner Erinnerung löschen. Und dazu musste er es zerstören.
    Sie setzte ihre Pistolenmündung auf seine Brust, dicht oberhalb des Rippenbogens, dorthin, wo das Herz schlug, das ihr so fremd geworden war.
    Die Mündung von Honorés Radschlosspistole erschien ihr wie ein Abgrund. Er schien sie anzuziehen. Michelle schloss die Augen. Kühl schmiegte sich der Abzug ihrer Waffe an ihren Zeigefinger. Ein Fingerzucken würde alles zu Ende bringen. Die Bilder der Brücke an der Bresna drängten in ihre Erinnerung. Sie hatten in der Abenddämmerung Mereskaja zurückerobert. Der Feind war

Weitere Kostenlose Bücher