Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Wütend wie Berserker schlugen sie mit ihren weiten Umhängen auf die Flammen ein.
Heißer Wind schlug der Elfe entgegen. Wie der Odem eines riesigen Raubtiers zog er durch den Wald und schüttelte Funken von den Bäumen. Irgendwo im Rauch verborgen ertönte ein Geräusch wie verhaltenes Glockengeläut. Dumpfe Schläge, die einem tief in den Leib fuhren.
Silwyna versuchte, sich gegen die Flut der Eindrücke zu sperren. Wo war Gishild gewesen? War sie hierhergekommen?
»Sag mir, dass sie nicht dort auf dem Hügel ist«, erklang die Stimme des Königs dicht neben ihr. Gunnars Gesicht war von Ruß geschwärzt. Ein Funke brannte sich in seinen roten Bart. Er starrte zu dem Tempel.
»Das Einzige, was ich dir jetzt sagen kann, ist, dass ich dir nichts vormachen werde. Vielleicht ist sie dort … Ihre Fährte führte in diese Richtung.« Sie deutete mit hilfloser Geste auf den niedergetrampelten Farn. »Hier kann man keine Spuren mehr lesen. Hier …« Einer der Krieger, die gegen die Flammen ankämpften, schwang ein schwarzes Hemd. Das konnte nicht ihm gehören. Die Drusnier kleideten sich stets in grellbunte Stoffe.
Silwyna ging den Flammen entgegen. Die Hitze war wie
ein Schild, der sie zurückdrängen wollte. Sie spürte, wie sich die Haut ihres Gesichts straffte.
»Gib mir das Hemd!«
Der Krieger hörte nicht auf sie. Unermüdlich drosch er mit dem Stoff auf einen umgestürzten Stamm ein.
»He!«, übertönte eine schroffe Stimme das Fauchen der Flammen. »Dreh dich um, wenn ein König mit dir spricht, Kerl!«
Der Mann reagierte nicht.
Silwyna lief zu dem Mann und griff nach dem Hemd. Mit einem Ruck wand sie es dem Drusnier aus der Hand. Er keuchte, drehte sich um und sah sie mit rot geäderten, himmelblauen Augen an. Seine Augenbrauen und sein Bart waren verschwunden, das Haupthaar zur Hälfte verbrannt. Das Gesicht war rot, Blasen wucherten auf der zerschundenen Haut. »Dich schicken die Götter!« Er sank vor ihr nieder und umklammerte mit seinen Armen ihre Knie. »Du kannst zaubern. Lösche das Feuer, hohe Frau.« Er sprach, als stünde eine leibhaftige Göttin vor ihm.
Silwyna strich ihm vorsichtig über die verbrannten Wangen und flüsterte ein Wort der Macht. Das Feuer würde sie nicht besiegen können, doch konnte sie ihn mit einem Zauber umgeben, der ihn vor der Hitze der Flammen beschirmte und der seinen Wunden Linderung brachte.
»Woher hast du das Hemd meiner Tochter?«, schrie Gunnar. Er packte den Mann grob und zerrte ihn von den Flammen fort. »Antworte mir!«
Silwyna glaubte nicht, dass man aus dem verwirrten Kerl im Augenblick viel herausbekommen würde. Sie strich den Stoff des Hemdes glatt. Er war von Elfenhand gewoben. Es war eines der Jagdhemden, die sie Gishild geschenkt hatte. Der Stoff war steif von eingetrocknetem Blut. Die Flammen
hatten ihn versengt und runde Löcher in das dichte Gewebe gefressen. Doch ein Loch war anders.
»Das war ein Klinge, nicht wahr?«, sprach Gunnar ihre Gedanken aus. Er hatte von dem verwirrten Drusnier abgelassen. »Ein Rapier oder ein Dolch. Es …« Er nahm ihr das Hemd aus den Händen. »Sie haben sie …« Er drückte das Hemd gegen seine breite Brust und schloss die Augen. »Sie haben …« Seine Stimme erstarb.
»Sieh dir den Saum des Hemdes an. Dort sind Stoffstreifen abgeschnitten. Sie haben versucht, die Blutung zu stillen. Das hätten sie nicht getan, wenn Gishild schon tot gewesen wäre.«
»Warum ein Kind? Hätten sie nicht mich niederstechen können?« In hilfloser Wut ballte er die Fäuste. »Es wird keinen Frieden mit ihnen geben. Nie mehr! Wir werden ihnen nachsetzen. Jeder, der reiten kann, soll mir folgen. Wir werden sie einholen!«
Silwyna antwortete nicht. Sie wusste es besser. Die Ordensritter waren kurz nach Mitternacht abgerückt. Sie hatten fast zehn Stunden Vorsprung. Obendrein waren sie Gunnars Männern an Zahl überlegen. Ihre einzige Hoffnung war Fenryl. Der Fürst war gestern Nacht noch aufgebrochen, um Fürst Tiranu und seinen Elfenrittern entgegenzureiten. Silwyna hatte Tiranus Leute tief verborgen im Wald gefunden und ihnen den Befehl zum Aufbruch gegeben. Doch sie waren ihr nur widerwillig gefolgt. Deshalb hatte sie die Krieger aus Langollion wieder verlassen und ihnen Fenryl entgegengeschickt. Den Wünschen des Fürsten würden sie sich nicht widersetzen.
Silwyna sah den König geistesabwesend an. »Lass deine Männer aufsatteln«, sagte sie schließlich zu Gunnar. Es war einfacher, ihm die Wahrheit zu
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