Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
verschweigen, als mit ihm zu
streiten. Für ihn war es besser, etwas zu tun, als hier zu warten. Seine Reiter würden die Ordensritter nicht mehr einholen. Aber vielleicht konnte er Fenryl ja ein paar Elfenpferde abnehmen … Doch all das war nicht ihr Problem. Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab und begann zu laufen. Diesmal nahm sie auf niemanden mehr Rücksicht. Sie war eine Maurawani. Niemand bewegte sich so schnell und so geschickt durch den Wald wie ihr Volk. Und Emerelle hatte ihr befohlen, Gishild zu beschützen. Sie würde das Mädchen holen und wenn sie dafür allein gegen ein ganzes Heer antreten müsste!
Bald war der brennende Tempel aus ihrem Blickfeld verschwunden. Doch ihr schlechtes Gewissen vermochte sie nicht hinter sich zu lassen. Sie hätte am vergangenen Abend nicht das Lager verlassen dürfen, um in Fenryls Auftrag nach verbündeten Streitkräften zu suchen. Ihr Platz wäre an Gishilds Seite gewesen. Sie war ihre Lehrerin und Leibwächterin. Sie hatte versagt. Aber sie würde es wiedergutmachen.
DIE FECHTMEISTERIN
Luc zuckte bei dem Knall des Schusses zusammen. Blaugrauer Pulverdampf wogte durchs Zimmer. Der Junge reckte den Kopf vor. Er konnte nicht glauben, dass die Ritterin es wirklich getan hatte. Sie musste danebengeschossen haben. Sie konnte doch nicht einen ihrer Ritterbrüder töten. Für ihn …
Die Frau, die sie Michelle genannt hatten, stand so, dass sie ihm die Sicht auf den Tisch verdeckte. Auf den infernalischen Knall folgte lastendes Schweigen. Und dann begann es leise zu tröpfeln. Luc sah, wie seitlich am kostbaren Nussholztisch Blut hinabrann. Erst waren es nur einzelne Tropfen, dann wurde ein dünner Strom daraus.
Michelle ließ die schwere Radschlosspistole fallen.
»Du Mörderin!« Corinne, die Ritterin, die immer auf Honorés Seite gestanden hatte, wollte ihr Rapier ziehen, doch Nicolo fiel ihr in den Arm.
»Versündige dich nicht gegen Gott, indem du falsches Zeugnis ablegst«, entgegnete Michelle scharf. »Wir haben uns in seine Hände begeben. Ihr alle wart Zeugen.« Die Fechtmeisterin blickte in die Runde. Nicolo nickte ihr zu. »Tjured hat mich zu seinem Richtschwert gemacht. Er hat mir die geladene Pistole in die Hand gelegt. Also war es sein Wille, dass dies geschah. Und wer bist du, Schwester, dass du es wagst, gegen den Willen Gottes aufzubegehren? Ich werde dem Komtur der Provinz Bericht über dich erstatten, wenn du es noch einmal wagst, mich Mörderin zu nennen, und so das Wirken Gottes in Frage stellst.«
Corinne ließ die Hand vom Griff der Klinge sinken, doch in ihren Augen stand der Hass geschrieben.
Luc wagte kaum zu atmen. Honroré hatte recht gehabt. Er, Luc, vermeintlicher Sohn des Waffenmeisters Pierre von Lanzac, musste in Wahrheit ein Wechselbalg sein. Er brachte Unglück, es war nicht länger zu leugnen. Nicht nur, dass er auf einen Ordensritter geschossen hatte, nein, nun herrschte blutige Fehde zwischen diesen Kriegern, die Tjured so nahestanden wie nur die heiligsten seiner Priester. Und all das geschah lediglich um seinetwillen. Honoré hatte das erkannt. Man hätte ihn, Luc, den Wechselbalg, auf den Scheiterhaufen
bringen sollen. Er war aufgewachsen als der Sohn eines Waffenmeisters, der die Anderen bekämpft hatte. Er kannte sich mit solchen Dingen aus. Wie hatte sein vermeintlicher Vater so blind sein können! Er musste ihn wohl sehr geliebt haben. Ein harter Kloß stieg Luc in die Kehle.
»Komm!« Die Fechtmeisterin streckte ihm die Hand entgegen. Auf ihrem dünnen schwarzen Lederhandschuh schimmerten feine Bluttropfen.
Luc zögerte. Die Ritterin hatte lindgrüne Augen. Sie sah ihn durchdringend an. »Hier kannst du nicht bleiben«, sagte sie mit tonloser Stimme.
»Du weißt, dass der Junge vielleicht die Pest in sich trägt«, warf Corinne ein. » Überleg dir gut, wohin ihr geht.«
»In die Wildnis. Du musst mich nicht an die Regeln erinnern. Wir sind der Pest lange genug hinterhergezogen. Ich fordere keine Sonderbehandlung für mich und den Jungen. Wir werden uns für ein Jahr und einen Tag von jeder Stadt, jedem Dorf und jeder bewohnten Hütte fernhalten. Es sei denn, Gott schickt mir ein Zeichen … Ich weiß, der Junge ist nicht krank. Tjureds Segen liegt auf ihm!« Sie ließ die Worte in der schweigenden Runde wirken. »Ich nehme Honorés Pferd und ein Packtier.«
Niemand widersprach.
Die Ritterin hielt Luc immer noch die Hand entgegengestreckt. »Wirst du mit mir kommen, Luc?«
»Ja, Herrin.« Er war
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