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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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wie das Meer. Die flammenhaarige Maren atmet ruhig wie das Meer. Leise dreht er sich auf die Seite, um sie nicht zu wecken. Sie soll weiterschlafen. Sie ist wirklich sympathisch, eine Frau, mit der man so schön fernsehen kann, dazu intelligent und gebildet, dazu rothaarig. Er nimmt sich vor, höflich zu sein, sich korrekt zu verhalten, wenn er das noch nicht verlernt hat, sie keinesfalls zu verletzen. Allein der Umstand, dass er, Holler, in dessen Sexleben im letzten halben Jahr die nicht gerade rauschende Nacht mit einer Klarinettenstudentin auf ihrer nach Patschuli riechenden Ikeamatratze die absolute Sensation dargestellt hat, dass er, Tom Holler, neuerlich mit einer – nicht einmal hässlichen – Frau im Bett liegt, allein diese Tatsache ist eine Sensation, die man ruhig vor sich selber so stehen lassen kann, denkt er, ohne unbedingt gleich mitbedenken zu müssen, dass außer Fernsehen, Rauchen und Chips-Essen in diesem Bett nicht besonders viel passiert ist. Denn die Tatsche als solche bleibt eine Tatsache. Man sieht schließlich niemals mehr als einen Ausschnitt der Wahrheit, warum dann ausgerechnet in diesem Fall, in dieser doch scheinbar eindeutigen Bettsituation, der zufolge er gegenwärtig eine Affäre in Genua hat, die zwar nichts Ernstes, aber immerhin ein Beweis ist, dass mit ihm zu rechnen sein wird, dass er Chancen hat, welcher Umstand ihn noch in Neapel mit einer nahezu sichtbaren, lichtartigen Aura, wie er sich vorstellen kann, umgeben und ihn begehrenswert erscheinenlassen wird, denn er hat nicht nur eine Exfrau, die ihn für einen Vollidioten hält, sondern auch eine Affäre in Genua.
    Holler erwacht ein weiteres Mal. Er öffnet die Lider, er sieht an die lichtgestreifte Wand und stellt sich vor, was er sich schon oft vorgestellt hat, weil es eine seiner Lieblingsvorstellungen ist, nämlich: Betty Morgenthal. Und wie diese, nachdem sie Tom Holler nicht als Liebhaber hatte gewinnen können, ihre Zuneigung in Freundschaft ummünzte, wie Weihnachtsmänner nach ihrer Zeit in Osterhasen umgeschmolzen werden, und stattdessen die Geliebte Marc Baldurs wurde, den sie gewohnheitshalber sicher auch zurückgeliebt hat früher oder später, denn Liebe ist in vielfältigen Farben und Modellen zu haben, wohingegen sie mit Osterhasen-Holler, ihrem Mitbewohner und Freund, einem Freund, wie man sagt, weil dieser emotional anderweitig vergeben war, eher das Gespräch verband. Sie redete zu ihm. Sie redete zu ihm über alles Mögliche, auch über Dinge, die sie mit ihrem Freund, dem Freund Marc Baldur, nie besprochen hätte, wie anzunehmen ist, weil man mit dem Freund lieber küsst anstatt zu sprechen.
    Unter anderem redete sie über Marc, den Freund, der mit einem Stipendium für eine Woche ins schwäbische Donau-Eschingen zu einem Lehrgang für junge Komponisten geladen worden war, weshalb sie mit Osterhasen-Holler allein in Berlin saß. Es war Sommer wieder einmal, ein Sommer unter vielen für die Mehrheit der Menschen, für Holler aber war es der Sommer, der in Form von Wolken an seinem Zimmerfenster vorbeizog. Er war froh, dass wenigstens Betty mit ihm am Küchentisch saß, frühstückend, während er mit gekrümmter Hand Brotbrösel zu Häufchen in Form von Tieren zusammenstrich.Katze, Pferd. Es war ein Sonntag mit unentschiedenem Wetter, wolkig, aber nicht besonders kalt, wie es Betty beschrieb, die schon Brötchen geholt hatte.
    Betty redete über Marc. Da saß sie, inmitten dieses langen Sonntagvormittags, saß ihrem geliebten Thomas Holler gegenüber, der Brotkrümel mit der Hand zu Tieren zusammenstrich, und machte dabei ein bekümmertes Gesicht, weil es über Marc Unschönes zu berichten gab. Aber natürlich ging es ihr gar nicht um Marc, sondern das ganze Marc-Gerede war sozusagen eine Metapher für ihr Verhältnis zu Tom. Sie konnte ja schlecht sagen: »Hör zu, du Idiot, ich liebe dich.«
    Sie redete, offenbar mit einiger Mühe, die richtigen Worte zu finden, über Marcs Gesicht – ihr eigenes wandte sich in diesem Moment dem Fenster zu, auf einem ihrer hochgezogenen Knie stand die Kaffeetasse, die sie mit beiden Händen umfasste –, so redete sie, Gesicht zum Fenster, über das Gesicht von Marc, das ihr manchmal vorkomme, so sagte sie, unerreichbar für Momente, wie hinter einer Glasscheibe. Sie fragte, ob Tom Ähnliches festgestellt habe, und blickte ihn bekümmert an, dieses Gefühl, ihn nicht zu erreichen, dieses Lächeln dann momentweise, dieser Blick in die Ferne, wie in eine Erinnerung oder

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