Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)
gelöst! Praktisch eigentlich!«
Alfredo putzt jetzt mit der Papierserviette seinen Mund ab, der aber auch wirklich ganz rot ist von Tomatensoße. Es gibteigentlich noch Salbeischnitzel, aber die lässt er wohl erst einmal in der Küche. Er hebt das Kinn, sein Adamsapfel hüpft, er schluckt. Er zündet sich eine Zigarette an, dann sagt er: »Volpi.«
»Was?«
»Die Karten sind von Volpi, nicht von Mateotti.«
»Was andres hast du nicht dazu zu sagen?« Langsam wird sie wirklich wütend. Und es ist ja auch nicht ganz falsch, dass dieses ein eigenartiges Versöhnungsgeschenk ist, noch dazu ein kostenloses, ihr Schubert aufzuzwingen, wo es zufällig umsonst ist, denkt sie. »Manchmal bist du wirklich ein Geizkragen«, sagt sie. »Schubert, weil es billig ist, weil’s umsonst ist!« (Es stimmt nicht, er ist kein Geizkragen, und sie weiß es, aber in diesem Moment kommt es ihr doch so vor, und sie hat ja auch nicht ganz unrecht, denn es soll doch wohl nicht um Geld gehen, wenn man Schubert hören will, Schubert zu hören, nur weil es billig ist, kommt ihr vor wie Blasphemie, darüber hinaus will sie keinen Schubert hören.)
»Kannst ja allein hin«, schlägt sie vor und zuckt mit den Schultern. »Geh doch mit der Bruni«, (seine Sekretärin, die ihrer Meinung nach ein Auge auf ihn geworfen hat), »oder du verkaufst die Karten und machst noch einen Gewinn.«
Metallisches Knallen. Es ist Alfredos Messer, das er auf den Teller geschleudert hat. »Kannst du mal mit dem Gequietsche aufhören?«, ruft er, indem er vom Tisch aufspringt, bevor er mit gebeulten Hosentaschen, weil die Hände darin versenkt sind, vor ihr auf und ab geht. »Was ist eigentlich los?«, er wedelt mit den Ellbogen. »Ich weiß nicht mehr, was mit dir los ist! Seit wir in diese verdammte Wohnung gezogen sind, in dieses verdammte scheißbourgeoise Viertel, kenn ich dich nicht mehr«, er fuchteltmit der Hand in der Luft, als wollte er etwas fortwischen. »Betty wie? Morgenthal? Nein, leider keine Ahnung!«
»Immer diese Wohnung«, sagt sie, betont ruhig, betont langsam, aber streng, »immer diese Scheißwohnung. Hör doch bitte auf, ständig über diese Wohnung zu jammern! Man wird doch nicht ein anderer Mensch, nur weil man in eine andere Wohnung zieht.« Sie quietscht jetzt wieder mit der Gabel, aber lauter. Alfredo geht auf und ab und hinterlässt meterlanges Schweigen.
»Paola ist übrigens schwanger«, sagt er dann in finsterstem Ton.
»Ach«, sagt Betty, ebenfalls finster. »War das die Überraschung?«
»Nein. Ich dachte nur, es interessiert dich vielleicht.«
»Wie schön, da lieben sie sich ja jetzt bestimmt wieder, Sergio hört sicher mit seinen Affärchen auf, und alles wird gut, dann muss man nicht mehr Bücher lesen oder in Schubertkonzerte, man muss auch nicht mehr reden und nicht mehr streiten, weil man dann ja das Kind hat, das man immer anstarren kann, ganze Abende lang. Ich hasse Leute, die sich Kinder anschaffen, damit ihr eigenes Leben in Ordnung kommt.«
Alfredo steht ihr jetzt gegenüber, sieht sie an wie ein erstaunliches, erschreckendes Kunstwerk. Den Mund hat er offen. Wahrscheinlich hat er gar nicht gewusst, mit was für einer bösen Person er da zusammenlebt. Irgendwann schließt er den Mund, das O verengt sich zum waagerechten Strich, wieder einmal. Er nickt zu irgendetwas.
Wenn er Kinder will, fährt sie fort, solle er es halt endlich sagen, bitte, nicht immer so durch die Blume, der und der ist übrigens schwanger und so weiter (sie ahmt seinen Ton nach), dannsolle er doch sagen, bitte schön, dass er Kinder will, weil er meint, damit sein Leben retten zu können. Dann muss er sich nur eventuell eine andere Frau suchen, denn sie will da eigentlich niemanden, schon gar kein Kind, in die Scheiße mit hineinziehen, aber ohnehin wäre es vielleicht das Beste, Schluss zu machen. (Sie erschrickt über ihren eigenen Satz, der ihr aber doch folgerichtig erscheint.) Sie schaut ihm mitten in die Augen, verfestigt die Stützkorsage aus Strenge und Kälte in ihrem Gesicht, um seinem Blick standzuhalten. Er aber atmet tief ein, fährt sich mit der Hand durchs Haar, vergisst diese Hand an seinem Hinterkopf, dreht sich um, er will in die Küche, er will weggehen, ohne zu wissen, wohin, aber dann bleibt er doch stehen, die Schultern ihr zugewandt, lässt zwei Minuten der Stille vergehen, auch kein Gabelquietschen ist zu hören jetzt, nur der Nachhall dieses Satzes, der im Raum ist wie eine dritte, etwas unangenehme, weil zu
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