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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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in einen Raum, der für andere verschlossen sei, und wie dann das Lächeln sich aus diesem Gesicht zurückziehe, der Blick aber minutenlang bestehen bleibe, oder so ähnlich, sie wisse nicht, wie sie es beschreiben solle.
    »Er hört vielleicht Musik«, sagte Tom, der Idiot, anstatt zu sagen, ich liebe dich auch. Und Betty, selbstverständlich entsprechend traurig, dass er es nicht gesagt hatte, sondern mit diesem Musikgerede anfing, schüttelte den Kopf.
    »Nein, das ist es nicht«, sagte sie. Das sei kein Musikhören,dann wäre dieser Blick nicht so verloren, sie kenne Marcs Gesicht, wenn er Musik höre, das sei unter Umständen keine schöne, keine glückliche Musik, die in seinem Kopf entstehe, sondern mitunter entsetzlicher Lärm, aber es sei Musik, und deshalb habe dieses Lächeln einen Halt, es verwehe nicht in einer Leere. Das jedenfalls sei ihr Gefühl, aber ohnehin habe sie manchmal den Eindruck, dass er, Tom, ihrem Freund, dem Freund, näher sei, als sie es jemals sein könne. Sie seufzte, senkte den Blick auf ihre Knie hinunter, in Jogginghosen. Und Tom, der Idiot, fing an, zu versichern, dass Marc sie liebe, dass er ihn noch nie so gesehen habe, so völlig verliebt, so fast eindimensional glücklich, dass er darüber sogar das Musikmachen vergesse für Wochen, so unbekümmert sei er, so anwesend in jedem Moment, so fraglos vorhanden, schon fast dumm. Betty sah erstaunt aus, während sie sich eine Haarsträhne aus der Stirn strich, verwundert, aber nicht über das, was er gesagt hatte, der Idiot, sondern darüber, dass er mit keinem Sterbenswörtchen die Gelegenheit beim Schopf packte und auf ihre offensichtliche Beziehungskrise einging, die sie so anschaulich und mit unüberhörbarem Untertext geschildert hatte, dass er ihr nicht endlich ihre blöde Kaffeetasse wegnahm, der schon ganz schlecht sein musste, weil sie gedreht und gedreht wurde auf ihrem Knie, warum er die verdammte Tasse nicht auf den Tisch stellte, ihre Hände in seine nahm, ihren Blick mit seinen Augen festhielt und endlich sie küsste, denn damals wäre vielleicht noch eine Möglichkeit gewesen, aber nein, stattdessen redete er von Marcs Liebe.
    Und er überlegte und konnte eigentlich nicht sagen, dass Marc besonders abwesend wäre in letzter Zeit, nur eben räumlich (kleiner Witz).
    In diesem Moment kratzte ein Schlüssel im Schloss. Tom und Betty sahen einander an, prüfend, ob der andere auch hörte, was eigentlich nicht sein konnte, denn Marc war seit Freitag in Donau-Eschingen, und nun war erst Sonntag 11 Uhr. Zwei Sekunden später stand er mit Rucksack und Laptoptasche lachend in der Küche.
    »Was machst du denn hier?« Ihre blöde Frage aus einem Mund, und im Nachhinein, von der Aussichtsplattform der Gegenwart heraus besehen, kommt es Holler so beschämend eindeutig vor, ihre ganze Situation am Küchentisch, mit den Krümeltieren, den Brötchen, die er nicht gegessen hat, Marcs ahnungslose Rückkehr, sein Reden, wohl um keine Peinlichkeit entstehen zu lassen, seine Erklärungen, seine feste Umarmung, wie um einen Verdacht zu erdrücken, sein Bericht, dass er plötzlich das alles nicht ertragen habe, dass er nur einen Tag in Donau-Eschingen geblieben sei, dass er dann abgereist und über den Feldberg gewandert sei, dass ihn mit einem Mal alles Akademische angekotzt habe, weil er sich gefragt habe und immer noch frage, wer um Gottes willen jemals diese Musik hören solle, stundenlang sei er einfach nur gelaufen, sei auch vom Weg abgekommen und habe bei einem Schafbauern Abendbrot gegessen, der ihn in seinem Mercedes 230 E in die Stadt mitgenommen habe, wo er schließlich in irgendeinen Nachtzug nach Berlin gestiegen sei.
    Erstaunte Blicke lagen auf ihm. Und es folgte ein Diskurs darüber, was ja doch wohl das Gute sei an der Neuen Musik, so Tom, dass es ja wohl nichts Interesseloseres gebe als eben diese. Nichts, das marktstrategischen Erwägungen so wenig entspräche wie die Neue Musik, nichts, was sperriger, schwieriger und unbrauchbarer wäre, nichts, was nutzloser sei in diesen Zeitender weltweiten Nützlichkeitsherrschaft, nichts, was Eltern ihren Kindern erbitterter verböten. Ein Hoch also auf die Neue Musik, gerade weil sie niemand hören will. »Aber wenn du lieber in Kaufhäusern Barjazz machen willst, nur zu«, schloss er.
    »Ist jedenfalls unmittelbarer«, sagte Marc.
    »Quatsch!« Tom erhitzte sich: »Marc Baldur«, sagte er, »dem jedes zweite Stipendium hinterhergeschmissen wird, der hochbegabte Marc Baldur, der

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