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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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sprach leise. Sein Blick sprang über ihren Hals hinweg in die Ecke des Flurs – nur nicht ihre Augen ansehen –, verfolgte das Telefonkabel, das in leichten Kurven über die Dielen lief und in Bettys Zimmer verschwand.
    »Ich weiß überhaupt nichts. Kannst du es mir vielleicht erklären? Bitte?«
    »Tsss«, Einatmen, danach lautes Ausatmen durch die Nase. »Es kann mir ja vielleicht eigentlich egal sein«, sagte Tom und meinte, sie müsse draußen sein Herz klopfen hören. »Es geht mich ja schließlich nichts an, du kannst schließlich machen, was du willst, aber Marc ist mein Freund. Und ich bin leider nicht blind.« Fast zitterte seine Stimme. War es Wut, war es Liebe, Müdigkeit jedenfalls nicht.
    »Hä?«
    »Ach vergiss es.«
    Betty verkreuzte ihre Beine. »Moment mal.« Langsam schien sie zu begreifen. »Okay«, sagte sie, »okay.« Dann noch mal: »Okay.«
    »Ja, okay. Ich will einfach nichts davon wissen, was du mit Diedrich von Jagow«, sagte er gedehnt, »hast, aber vielleicht solltest du auch mal an Marc, ich meine, das ist doch ein Vollidiot oder nicht?«
    »Hm«, Betty nahm eine Hand aus der Hosentasche und kratzte mit ihrem Fingernagel an der Flurtapete, obgleich an der Flurtapete nichts war, das man hätte wegkratzen können.
    »Also, du spinnst«, sagte sie, nachdem sie aufgehört hatte zu kratzen und die Hände wieder in die Hosentaschen gesteckt hatte.
    »Ach.«
    »Erstens finde ich nicht, dass Diedrich ein Vollidiot ist, ich finde ihn nett, zweitens meine ich tatsächlich nicht, dass dich das unbedingt was angeht, wen ich nett finde, drittens ist da absolut nichts zwischen mir und Diedrich, und fünftens weiß ich überhaupt nicht, wie du auf so einen Mist kommst«, sagte sie und artikulierte überdeutlich, offenbar verärgert.
    »Du hast viertens vergessen«, sagte Tom. »Nach drittens kommt viertens.«
    »Danke.«
    Tom nickte.
    »Wahrscheinlich sollten wir weiterreden, wenn du von deinem Film ein bisschen runter bist, glaub ich.«
    »Ach, du meinst, es ist ein Film. Ein ziemlich schlechter Kitschfilm, finde ich.«
    Betty schüttelte nur stumm den Kopf. »Gute Nacht«, sagte sie und drehte sich um, aber als sie davonlaufen wollte, streckte Tom seine Hand aus, beugte sich nach vorn, es war ein Reflex, und packte ihr Handgelenk, riss sie zu sich herum, sah ihr in die Augen, jetzt doch, ohne zu sprechen, er hätte ja auch gar nicht gewusst, was es zu sagen gäbe, er stand nur da und hielt ihren Unterarm fest, drückte ihn, so hart er konnte, während er in ihre Augen starrte, die erst weit wurden, so dass er viel Weiß sehen konnte, und dann eng, länglich unter den gesenkten Brauen, tief wie Gewitterwolken.
    »Gute Nacht«, wiederholte sie leise. Irgendwann musste er sie losgelassen haben, denn er sah, wie sie den Flur entlanglief, indemsie sich mit der flachen Hand auf den Hinterkopf drückte, als wäre ihre Frisur durcheinandergeraten.

EINEN TAG SCHWIMMEN
    Als er an einem Wintertag mit Marc bei Breitenbach saß, der über die Verzweiflung sprach, schweiften seine Gedanken immer wieder ab von der Verzweiflung in eine gewisse Flursituation, zu gewissen Augen unter gewittrig tief stehenden Brauen, und er fasste den Entschluss, sofort nach den Prüfungen wegzugehen. Er, der, nur um nicht Schumann oder Schubert spielen zu müssen, so viel geübt hatte, dass er jeden abgenudelten Jazzstandard aus dem Effeff, vorwärts, rückwärts und im Schlaf, im Kopfstand, im Handstand, zweihändig oder mit dem Arsch herunterspielen konnte, hatte von einem Kommilitonen mit Beziehungen das Angebot, ein halbes Jahr in der Band eines Kreuzfahrtschiffes zu spielen. Ein halbes Jahr, dachte er, bei dem über die Verzweiflung sprechenden Breitenbach sitzend, ein halbes Jahr ohne Betty, ohne diese verzweifelte Bemühung um Normalität, ohne das ständige Suchen nach Gesprächsthemen – seit er sie mit anderen Augen sah, fiel ihm nicht ein, was reden mit ihr, also suchte er verzweifelt nach Themen am Frühstückstisch, denn das Eigentliche (ohne dass er gewusst hätte, was eigentlich das Eigentliche wäre), es musste ungesagt bleiben –, ein halbes Jahr auf einem Kreuzfahrtschiff im Meer der Fremde, ein halbes Jahr wäre die Rettung.
    Breitenbach goss Tee in die Tassen. Er sprach über die Verzweiflung. In einem halben Jahr, dachte Tom, kann theoretisch jeden Tag die Welt untergehen, also ungefähr 182-mal kann siein einem halben Jahr untergehen, und erst recht eine lächerliche Liebe. Breitenbach bot seinen Malern des

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