Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)
Betty lachte, als sie sich von Diedrich löste, nach draußen lief, aber gefolgt von Diedrich. Wie sie sich nach ihm umwandte mit schwer zu interpretierendem Blick, zwischen Erstaunen und Frage, und zuerst hinter einer Kunstnebelwolke, dann hinter der gepolsterten Clubtür verschwand.
»Vielleicht hat er auch recht«, sagte Marc.
»Wer?«
»Der Labelidiot. Vielleicht ist unser Dasein ein Brettspiel, und das Ziel ist es, möglichst viel Geld damit zu verdienen.« Er grinste. Tom, der nicht wirklich bei der Sache war, starrte auf die schwarz gepolsterte Tür, als könnte er mit seinem Blick etwas aufhalten.
»Ich weiß es doch auch nicht!«
Marc wusste wirklich nichts, dachte Tom, und vielleicht war es besser so.
Nämlich beispielsweise Diedrich und Betty knutschend, an eine Wand gedrückt. Die runden weichen Hände auf ihrem Rücken. In irgendeinem Kellerflur, auf der Damentoilette, neben dem Zigarettenautomaten. Ihr Knie an seiner Hüfte schabend.
»Ich muss aufs Klo«, sagte Tom. Und er stolperte über die Tanzfläche, vorbei an schwitzenden, klebrigen Mädchenschultern, an Hintern in Jeans und Röcken, muskulösen Männerarmen,er rannte ein blondes Ding über den Haufen, weil kein Platz war, nirgends, er aber hinausmusste, pass doch auf, ey, Idiot, und der Idiot war endlich draußen, lief den Flur entlang, wo plüschige Sofasitzgruppen auf der Erde kauerten, Zigarettenschleier. Wummernde Bässe. Und ganz hinten inmitten eines orangeroten Tischensembles entdeckte er Diedrich und Betty, nicht küssend, aber nebeneinandersitzend und rauchend und offensichtlich in ein Gespräch vertieft. Tom blieb stehen, drückte sich an die Betonwand. Betty lachte und gestikulierte, und Holler wollte nicht in den Kopf, was sie mit diesem Diedrich zu reden hatte. Er verstand die Frauen nicht, dachte er, hatte sie nie verstanden.
»Hi«, sagte er. »Hier seid ihr!« Er ließ sich zwischen Betty und Diedrich in die schmale Lücke aufs Sofa fallen, das quietschend nachgab, so dass sowohl Diedrich als auch Betty auf ihn kippten.
»Na?« Seine dämliche Frage, sein Blick abwechselnd auf Bettys, dann auf Diedrichs Knie gerichtet. Beide versuchten, nun ein wenig zur Seite zu rutschen, da das Sofa definitiv zu eng war für drei.
»Na?«, sagte Betty.
»Na?«, sagte nun auch Diedrich und patschte mit seiner weichen Hand auf seinen Oberschenkel.
»Ich wollte eure Unterhaltung nicht stören. Redet ruhig weiter.«
Diedrich kicherte. »Wenn ihr mal ein Saxofon braucht«, sagte er, »also ich bin dabei.«
Tom, dessen angewinkeltes Knie in Richtung Diedrich zeigte, schwieg, runzelte die Stirn und gab sich den Anschein konzentrierten Nachdenkens. »Ich hasse Saxofon«, sagte er endlich. Zweioder drei Sekunden vergingen, dann fing Betty an zu kichern, etwas gezwungen, aber auch Diedrich lachte sein hohes, schabendes, kehliges Lachen.
»Und ich hasse Klavier!«, rief er aus, als gelänge ihm der Jahrhundertwitz.
Eines Abends wurde Holler von Morgenthal gefragt, was eigentlich los sei. Was er gegen Diedrich habe. So kenne sie ihn gar nicht, so giftig, fast zynisch. Was also bloß, um Himmels willen, in ihn gefahren sei, das solle er ihr jetzt bitte schön einmal erklären, und wenn sie irgendwas gemacht habe, das ihm nicht passe, dann solle er es ihr halt sagen und nicht immer so beleidigt tun.
»Ich?«, Tom gab sich erstaunt, er stand in Boxershorts und T-Shirt im Flur, von der Toilette kommend, wollte ins Bett. Es war spät. Marc war nicht da, weil er irgendeine Orchesterprobe hatte, Dirigierkurs, wusste der Teufel. »Nichts«, sagte Tom und gähnte, vielleicht etwas zu demonstrativ. »Gute Nacht.«
»Tom, ich bin doch nicht bescheuert«, sagte Betty. Sie stand vor ihm, versperrte ihm den Weg wie ein amerikanischer Polizist, breitbeinig, Arme vor der Brust verknotet. Das Flurlicht, eine Glühbirne, schwankte in leichtem Luftzug und malte eine pendelnde Linie an die Wand.
»Du«, Tom gähnte erneut, »ich bin echt müde«, sagt er. Er war nie wacher.
Betty nickte, indem sie ihr Kinn zweimal ruckartig in die Höhe warf. Nicht zufrieden offensichtlich.
»Es ist echt nichts, was soll sein.«
»Schade. Ich dachte, wir wären befreundet.«
In der Küche sprang der Kühlschrank an.
»Und ich dachte, du bist Marcs Freundin«, sagte Tom ruhig, aber plötzlich wütend. Vielleicht lag es an ihrem Lehrerinnen-Ton, an ihrem überlegenen moralischen Blick.
»Was soll das denn jetzt?«, fragte sie.
Das wisse sie ja wohl besser als er. Er
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