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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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auf die Dächer gesenkt hatte. Dann fiel ihm ein, was zu tun war: den Hörer auf die Gabel legen.
    Was er gemacht habe?, fragte, ohne ihn anzusehen, Diedrich, nachdem er lange Zeit geschwiegen und das Basthütchen seines roséfarbenen Cocktails zwischen den Fingern gedreht hatte.
    »Eingekauft«, sagte Tom, der sicherheitshalber einen Barhocker zwischen sich und seinem Kollegen frei ließ.
    »Aha«, sagte Didi, offensichtlich noch immer beleidigt. »Und was?«, fragte er.
    »Klamotten«, sagte Tom. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er die Tüte irgendwo hatte stehen lassen, wahrscheinlich in der Telefonzelle.
    »Was hab ich dir eigentlich getan?«, fragte Didi und sah über Toms Kopf hinweg in das plüschige Dunkel der Hotellounge. Ein schmerzhaftes Lächeln zog an seinem Mundwinkel. Tom betrachtete sein Gesicht. Es sah jung aus, noch immer, weich und kaum beschattet von Bartwuchs, auch auf Händen und Armen spross höchstens Flaum. Das lockige Haupthaar wurde von Diedrich täglich gewaschen und gefönt und mit Gel verschönert. Tom Holler, wann immer er an seinen Saxofon spielenden Kollegen dachte, stellte sich diesen mit Sonnenbrille im Haar vor, obwohl er nie eine trug. Mit Sonnenbrille über der etwas glänzenden Stirn, die schnell dicke Falten warf, so als dächte er beständig über etwas nach, was er, Hollers Ansicht nach, in Wahrheit niemals tat.
    »Ist irgendwas an mir?« Diedrich betastete sich die Wange.
    »Nein, nein, nichts«, sagte Tom und winkte dem Barmann. Eigentlich hatte er sich entschuldigen wollen, ließ es nun aber sein, da ihn diese gerunzelte Stirn, über die eine ins Haar geschobene Sonnenbrille gehörte, schon wieder aufregte. Auch regte ihn auf, dass ihn Diedrich mit einer Kunsthistorikerin hatte verkuppeln wollen. (Wenigstens keine Theaterwissenschaftlerin, dachte er andererseits.) Er schwieg und bestellte sich Bier. Erst als das Glas schon wieder leer war, erinnerte er sich, dass er auf Alkohol hatte verzichten wollen, ja geglaubt hatte, in seiner Lage auf Alkohol verzichten zu müssen , aber schon stand ein zweites Bier vor ihm da. Gedämpfte Pianomusik.
    »Wenn du nicht reden willst, auch gut«, sagte Didi.
    » Du kannst ja reden«, schlug Tom vor. Eine dunkle Wolke gut angezogener Frauen strebte dicht an ihnen vorüber in die Tiefe der Bar. Diedrich, der der Frauenwolke hinterhergesehen hatte, schraubte sich auf seinem Drehsessel abrupt zu ihm hin. »Warum hast du eigentlich seit Tagen diese miese Laune?«, fragte er.
    »Ich hab gar keine schlechte Laune«, sagte Tom. Ich bin nicht schlechter, sondern guter Laune, wollte er anfügen, unterließ es aber, da es zu weit geführt hätte. Ich bin nachgerade euphorisch, gemessen an meiner Gemütsverfassung in den letzten Monaten, hätte er sagen können, außerdem: Seit wann interessierst du dich für die Gemütsverfassungen anderer Personen, du, der du dich zeitlebens für nichts als dich selbst und die Lage deines Haupthaares interessiert hast? Stattdessen sagte er: »Erinnerst du dich an Betty? Betty Morgenthal?«
    Diedrichs Stirn schob sich in dicke Falten.

NACHT
    Als er an die Zimmertür geklopft hatte, meinte er, die Stille zu hören, die unter dem Türspalt hervorkroch. Dann das Umblättern einer Seite in ihrem Buch, das Zurückstreichen ihres Haars, ihr Atmen. Er klopfte wieder, lauter diesmal. Irgendetwas stürzte im Zimmer zu Boden, ein feiner Laut.
    »Ja?«
    Die Tür knarrte, der kegelförmige Lichtschein drängte sich durch die Öffnung, kroch unter Toms Füßen hindurch auf den Flur. Bettys Gesicht lag halb im Dunkeln, sie war offensichtlich in diesem Moment vom kleinen Schreibtisch aufgestanden, wo eine Schirmlampe brannte, Hände in den Hosentaschen. Jetzt bückte sie sich, um den Gegenstand aufzuheben, der hinuntergefallen war, einen Kugelschreiber, den sie auf die Tischplatte zurücklegte, bevor sie sich wieder vor ihn hinstellte. Er rollerte über das schrundige Holz, bis er in einer Mulde liegen blieb. Draußen vor dem Fenster hatte sich der Schneefall wieder verdichtet, beglänzt vom Schein einer Straßenlaterne.
    »Ihr wart lange …«, der Satz starb in ihrem Mund. Bettys Kopf kippte zur Seite, ihr Blick drängte sich an Tom vorbei, durch den Türrahmen, suchte nach Marc. Dieser Blick, weit und starr, der dann mit einem ungläubigen Wimpernschlag die Leere zu schlucken schien.
    Die endlosen Stunden aus Nacht, die sich anschlossen, waren eine dunkle Masse ohne Unterteilung. Es war eine einzige Stunde, die sich dehnte,

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