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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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der Lärm dessen Schuld. Fragender Blick zurück. Und fragender Blick zur Bahre, als wolle der Beamte Verbindungslinien ziehen zwischen ihm und dem Körper, der dort ausgestreckt lag. Schmal, bleich, kein Mensch. Die Lippen geschlossen, aber nicht ganz, sondern durchschimmert von der Reihe der Zähne. Sein Haar liegt leblos, dachte Tom, zu einer seltsamen Frisur gerichtet, die sein Freund niemals hatte. Die Haut ist nicht aus Haut, sondern tatsächlich wächsern, wie man sagt. Tom musste umgehend an Madame Tussaud oder Truffaut denken und an die Frage, was in aller Welt Menschen davon haben, als Wachsleichen in England ausgestellt zu sein. Gleichzeitig oder um Sekundenblitze versetzt, sagte er sich, dass es verrückt sei, jetzt an Madame Tussaud oder Truffaut denken zu müssen. Wieder betrachtete er die eigenartige Frisur des Toten, denn das Haar, obgleich es noch wuchs, wie gesagt wurde, das Haar war es, das ihm am leblosesten erschien. Es hatte seine Farbe verloren, flachsartig und steif lag es in einer erstarrten Welle über der Stirn. Darunter, auf der Wange, der Lichtpunkt eines Strahlers. Tom verfolgte ihn mit den Augen zurück bis zum Chromgestell unter der gekachelten Decke und erinnerte sich plötzlich an irgendeinen Nachmittag, an dem sie gemeinsam, Tom und Marc, in der Ikea-Lampenabteilung gewesen waren, um Lampen für Notenpulte zu kaufen, und aber nichts gekauft hatten.
    Der Lichtpunkt auf seiner Wange. Tom erschrak über dieKälte, ein eisiges Licht, als die Außenseite seiner Hand auf der Wange des Körpers lag und der Kopf des Körpers und das erstarrte Wellenhaar sich kaum merklich unter der Berührung bewegten, was ihn erstaunte.
    »Nein«, sagte er. Und noch mal: »Nein.« Er lachte etwas. Verhalten, bemühte sich, wenn er schon lachen musste, es dann aber leise zu tun, an solchem Ort.
    Der Polizeibeamte räusperte sich. Vielleicht, um sein Lachen zu übertönen. Sah fragend in sein Gesicht, als hätte er in einem unverständlichen Idiom zu ihm gesprochen.
    »Er ist es nicht«, sagte Tom. Jetzt vollkommen ernst. Und rückwärts entfernte er sich von der Bahre, von Betty, dem Polizeibeamten, beschrieb einen Bogen, beschleunigte den Schritt, bis er mit dem Rücken an eine Wand knallte.
    Als er ins Freie tritt, weht Frühlingsluft in sein Gesicht. Vogelgesang. Blauer Himmel biegt sich hoch über dem Land. Ein dunkler Wagen summt auf dem Parkplatz vorüber, hält an und entlässt eine Familie voll lachender Kinder mit Blumensträußen. Die Dächer im Tal glänzen metallisch unter dem neuen Tag, feucht von tauendem Schnee. Und eine große scharfkantige Helle hat die Konturen aller Dinge aus dem Hintergrund getrennt. Ein Mahlerlied fällt ihm ein, das er mit Betty gespielt hat: »Nun will die Sonn’ so hell aufgehn.« Er muss die Augen zukneifen, zu viel Licht, als hätte er eben eine Sonnenbrille abgesetzt. So ist es also , denkt er, während er in den hohen, klaren, lichtgetränkten Mittag blinzelt, so ist es , ein Gefühl tatsächlich, als hätte er die Welt bisher immer durch die getönten Gläser einer Sonnenbrille betrachtet.Ein zusammengefaltetes Kleiderhäufchen hat man ihnen gegeben. Marcs Jeans, sein Hemd und seinen dunkelblauen Wollpullover, an dem noch einige blonde Haare hängen, die Unterwäsche nicht. Warum nicht? Auch die Jacke nicht, weil sie fehlt, wird berichtet, weil von Marc offensichtlich ausgezogen, aus welchen Gründen auch immer. Über die Unterwäsche wird nicht gesprochen. Die Unterwäsche wird übergangen, warum auch immer, und Tom muss wieder und wieder an Marcs Unterwäsche denken, als er neben Betty durch das helle, sonnenbeschienene Samedan läuft, wo das Licht zwischen den Häuserwänden sie wärmt wie glitzerndes Badewasser.
    Ein Glück ist es, ein Glücksfall , möchte man sagen, denkt er, dass Marc den Autoschlüssel nicht in der Jackentasche aufbewahrt hat, sondern in der Hose. Er befindet sich in einem kleinen durchsichtigen Plastiktäschchen, zusammen mit ein paar Geldmünzen, einem klebrigen Bonbon und einem winzigen Notizbüchlein. Es liegt oben auf dem zusammengefalteten Kleiderhaufen, Marcs Kleider, denkt Tom, waren nie so ordentlich zusammengefaltet. Und warum sie ihn überhaupt ausgezogen haben, fragt er sich plötzlich.
    Damit ihm nicht kalt wird. Damit er es warm hat.
    Betty läuft neben ihm lautlos, nur die Tüte mit Marcs Sachen knistert im leichten Frühlingswind. Es ist Mittagszeit, und in den Häusern entlang des Gehsteigs wird gegessen, Geschirr

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