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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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wusste sie, dass es Carlo Vitelli war, der sie öffnete. Sie blieb am Waschbecken stehen und sah ihn im Spiegel auf sich zukommen. Sah, wie er eine Hand auf ihre Schulter legte, wie diese schmale, behaarte Hand sich anspannte, ihren Griff verfestigte, um ihren Oberkörper zu sich zu drehen. Und sie ließ es zu. Sie ließ sich vom Waschbecken und den Blumenaufklebern wegziehen und folgte ihm hinaus auf den Flur und durch eine Tür in eine kleine Abstellkammer, in der die Putzfrauen ihre Sachen aufbewahrten. Dort roch es nach Keller und Reinigungsmittel. Kein Fenster, etwas Neonlicht kroch aus dem Flur unter der Türritze hindurch. Betty stand an die Wand gedrückt, rechts neben ihr der Stiel eines Besens, der auf ihre Schulter kippte, als Carlo begann sie zu küssen und ihr mit der einen Hand den Pullover hinaufschob und mit der anderen ihre Hose öffnete. Ein Eimer klapperte,fiel um. Die Dämmerung lichtete sich ein wenig, da die Augen sich gewöhnten, Regale hoben sich aus der Dunkelheit, mit Flaschen darin, Putztüchern, Eimern. Ein Paar Gummischuhe. Er zog ihr die Hose herunter, ging in die Knie dabei, riss ihren Slip hinunter, und sie stieg mit einem Bein hinaus und wartete, bis er seine Hose geöffnet hatte und sie umarmte, bevor sie das freie Bein, an dem es kalt wurde, um seine Hüfte legte und er in sie eindrang. Er stöhnte und küsste ihren Hals, der nass, kühl wurde von seinem Speichel, sie aber spürte außer etwas Schmerz nichts, fand es nur unbequem auf ihrem einen Bein und dachte an Tom und Alfredo, dann an einen Krebspatienten auf der Chirurgischen, und dann an die Blumenaufkleber. Sie war froh, dass er bald kam, wofür er sich entschuldigte, was sie schrecklich fand, aber sagen, dass sie froh sei, dass es vorbei war, konnte sie auch nicht. Also sagte sie nichts, nur dass sie jetzt gehe, weil sie nach Hause müsse, denn ihr Mann erwarte sie, was nicht stimmte. Ihr Mann war nämlich in Rom. Immer war er in Rom, wenn man ihn brauchte, so kam es ihr auf einmal vor.
    Die Wohnung war leer. Vielleicht lag es daran, dass er aufgeräumt hatte, bevor er gefahren war, denn sofort spürte man, dass Alfredo über Nacht fort sein würde, obgleich man hätte denken können, eine leere Wohnung sei eine leere Wohnung, aber es gibt zwischen einer leeren und einer leeren Wohnung einen großen Unterschied. Auf dem Küchentisch stand ein Blumenstrauß, ein Zettel lag daneben, »Bis übermorgen, Du weißt schon …, Dein A«. Sie weinte. Sie duschte sehr lange und weinte, und im Weinen ärgerte sie sich über ihr Weinen und befahl sich aufzuhören, denn Tom brauchte nicht sofort zu sehen, dass sie geweint hatte. Das warme Wasser strömte über ihr Gesicht, verdünnte die Tränen.
    Lange stand sie in Unterwäsche vor ihrem Kleiderschrank und sah hinein. Aber die Kleider, die sie anziehen würde, kamen nicht zu ihr heraus. Sie hätte jemanden gebraucht, der ihr ein Kleid ausgesucht, ihr das Kleid angezogen hätte. Alfredo war jemand, der ihr ein Kleid anziehen würde, wenn sie es bräuchte, aber Alfredo war in Rom. Sie fror. In Unterwäsche wartete sie vor dem Kleiderschrank und hatte Gänsehaut am ganzen Körper, und zum allerersten Mal dachte sie, dass sie sich vorstellen könne, Alfredo habe in Rom eine Affäre. Sie konnte es sich vorstellen, und sie tat es, während sie in den Kleiderschrank hineinsah. Alfredo mit Geliebter in einem römischen Bett, aber sie stellte es sich vor als eine Geschichte, wie man sich einen Film, eine Erzählung, ein Märchen vorstellt, die nichts sind als Erfindung. Dass sie sich seiner so sicher war, erstaunte sie.
    Die Kälte des Schlafzimmers strich über die Härchen ihres Körpers wie ein Lufthauch. Sie blickte an sich hinab. Die vom Büstenhalter flachgedrückten Brüste, der sich etwas vorwölbende Bauch, das Becken, das knochig rechts und links hervorstand, die Oberschenkel, leicht sichelförmig, die immer noch schlank waren, aber weicher wurden, sich von innen her auflösten, so erschien es ihr. Ihr Blick hielt bei den Füßen an. Das Ende ihres Körpers. Ob er ihn nach so vielen Jahren, diesen von innen heraus sich auflösenden Körper, erkennen würde? Was ist es, dachte sie, das man erkennt? Sind es die Hautzellen, die sich doch ständig, jährlich, ja monatlich austauschen, erneuern? Was am Gesicht, dachte sie, erkennt man? Ist es nicht gerade das Veränderlichste von allem, das Vergänglichste, sind es nicht Haut, Fettzellen, Collagengewebe, die man dennoch erkennt, während

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