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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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Räume seiner eigenen Vergangenheit hinabzusteigen.
    Ich muss jemanden fragen, dachte er, und noch bevor sein Gedanke zu Ende war, fragte er, indem er sich über seine Kurzentschlossenheit sehr wunderte, einen Geschäftsmann mit Mantel und Aktenkoffer und einer bedeutend jüngeren Begleiterin, der sein Anliegen offenbar peinlich war, so dass sie den Blick wandte. »Direction of the Sea«, sagte der Geschäftsmann, dortgebe es Telefone, eines neben dem andern, in kleinen Läden von Marokkanern, von Arabern, die auch von etwas leben müssten, fügte der Geschäftsmann entschuldigend hinzu. »Danke«, sagte Holler, fast überschwänglich, »vielen Dank«, wiederholte er, als hätte der Geschäftsmensch ihm seine Begleiterin überlassen, und er lief einige Schritte rückwärts, bevor er sich umwandte und endlich in Richtung Meer ging, wo Betty Morgenthal saß, Marcs schöne Freundin, mit sandfarbenem Blick, und auf seinen Anruf wartete.
    Auf dem Weg zum Meer aber dachte er an Marc. Wie er immer an Marc gedacht hatte, wenn seine Gedanken sich bei Morgenthal aufgehalten hatten. Immer hatten die Gedanken einen Umweg über Baldur gemacht, wenn sie zu Morgenthal unterwegs gewesen waren.
    Er hatte ihn, mehr oder weniger zufällig, in einem Mietwagen kennengelernt. In einem nagelneuen Kleintransporter der Firma Europcar oder Sixt, Holler konnte sich nicht erinnern. An das Wesentliche hingegen meinte er, sich immer erinnern zu können. Was aber genau ist es, dieses Wesentliche im Gewesenen? Ist es wesentlicher, sich an Marc zu erinnern, Marc Baldur beispielsweise im dunklen Anzug neben ihm, in der Hand einen Kaffeebecher, dessen Inhalt schwappte und kreiste am hellen Papprand, beim Anfahren des Wagens, ist dies wesentlicher als der Name des Autoverleihers? Marcs bleiches Gesicht vor der spiegelnden Fensterscheibe, dahinter die wegeilende Stadt, Schilder und Ampeln und Beleuchtungen, deren wässrige Farben sich in der Weite verloren. Marcs Knie, die spitz sich abzeichneten unter dem Anzugstoff und die, weil seine Beine so lang waren, an den Vordersitz stießen?
    Wer hatte vorn gesessen? Holler konnte sich nicht erinnern. Nicht einmal daran, wer außer ihnen im Auto gewesen war, auf dem Weg zu ihrem ersten gemeinsamen Auftritt. Er blieb stehen, Hände in den Taschen, Zigarette im Mundwinkel. Die Nacht überwölbte ihn.
    »Wo sind die Dinge, an die wir uns nicht mehr erinnern?«, hatte Marc ihn vor langer Zeit gefragt, während Schnee im Licht der Autoscheinwerfer wirbelte. Wo sind die, an die wir uns erinnern?, dachte Tom. Er hatte oft darüber nachgedacht. Sie waren da und doch nicht, wie das bewegte Bild einer Landschaft im Spiegel eines Gewässers oder das Farbspektrum eines Regenbogens oder die Schatten der Dinge, die je nach Lichteinfall Form und Position veränderten. Eine vergilbte und im untersten Dunkel der Schublade vergessene Eintrittskarte, die man beim Aufräumen herausnehmen und ansehen und mit den Fingern greifen konnte, war die Erinnerung jedenfalls nicht. Und doch kam es ihm oft so vor, als träten die erinnerten Personen, Gegenstände, Gerüche, all die verinnerten, verinnerlichten Dinge, plastisch aus dem Hintergrund der Vergangenheit heraus und als könnte er sie ergreifen (auch die Gerüche) wie eben jene vergilbte Eintrittskarte in der vermüllten Schublade (derer es bei ihm zu Hause viele gab).
    Es war dies vor allem Marc, der heraustrat. Dessen Gesichtslinien auch nach Jahren nicht verblassten und unter dem Weichzeichner des Vergessens sich verallgemeinerten, sondern mit jeder Unebenheit, jeder Schattierung, jeder Farbnuance da waren. Es war, als wohnte er in seinem Gedächtnis in vielen verschiedenen Versionen wie die beliebte Barbiepuppe im Spielzeugladen, die in unzähligen Outfits vorhanden, aber doch immer dieselbe ist, und einer derjenigen Marcs, die besonders oft hervortratenaus der Tiefe der Zeit, war der Kaffee-Becher-Marc im Auto. Eingezwängt mit seinem langen schmalen Körper in die nach fabrikneuem Kunststoff riechende Enge des Mietwagens. Sein helles Profil von der Seite, überzuckt von den vorübereilenden Lichtern und Schatten, Augenbrauen, die sich einzeln in die Stirn hoben, eine Eigenheit, die oft als Ausdruck seiner Arroganz ausgelegt wurde, auch weil seine Begabung, seine Einzelgängerei solches vermuten ließen.
    »Kannst du mal halten, bitte?« Seine ersten Worte.
    Der Pappbecher, den Marc ihm gereicht hatte, war heißer gewesen als erwartet, und sein Rand hatte sich weich in Toms

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