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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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Konzertreise, die prominenten Veranstaltungsorte, ebenfalls durch Jens-Christians »hervorragende Verbindungen« aufgetan, so er. Übrigens habe er in der zurückliegenden »Kreativpause« (in der er wirklich alles andere als kreativ gewesen war) viel recherchiert, habe einige Ideen für das neue Programm, es gebe ein paar vielversprechende Stücke, mehrere Entwürfe (er hatte kein Pausenzeichen zu Papier gebracht). Er stand jetzt neben seinem Bett, wo er sich, soweit es die Telefonschnur zuließ, etwas hin und her bewegte, um seinen Ausführungen eine größere Dynamik zu verleihen, indes er die Loren beobachtete, die sich immer noch stritt, inzwischen eine Vase und einige Teller zertrümmert hatte. Aber Hepp erklärte nun das Einmaleins der Professionalität. So könne man nicht zusammenarbeiten, das sei Kinderniveau. Außerdem habe er sich Sorgen gemacht, nicht nur umdie Tour, sondern auch um ihn. Er habe am Morgen sogar Hedda angerufen, die ihm erzählt habe, dass Holler bei ihr gewesen sei.
    »Du rufst Hedda an?«, fragte Holler.
    »Natürlich rufe ich Hedda an. Ich rufe sie so lange an, wie es mir passt!«
    »Das tust du nicht!«
    »Doch!«
    »Nein!«
    »Doch!« Tom habe ihm nämlich überhaupt nicht zu sagen, was er zu tun habe! Hepps Stimme schwoll wieder an. Tom nahm den Hörer vom Ohr, wiegte ihn von der einen zur andern Hand, er erschien schwer mit der riesigen, schweren Stimme darin, und er legte ihn nicht auf die Gabel, sondern auf das Nachttischchen, direkt neben die Schale mit dem Schokoladenstückchen, das zu essen er auf einmal keine Lust mehr hatte.
    Von nebenan rauschte es noch immer. Diedrich, wie Tom oft gedacht hatte, musste von Natur aus sehr schmutzig sein, weil er so oft und so lange duschte. Es rauschte, schien mitten in der Wand zu rauschen. Im Telefonhörer krächzte J. C. Er stellte sich vor, wie J. C.s Stimme den Abfluss hinabschwämme, in die Unterwelt der Kanalsysteme und dort vergurgelte. Er legte sich wieder diagonal auf das Bett, benutzte seine hinter dem Kopf verschränkten Arme als Kissen und versuchte, an Neapel zu denken, du Nymphe Parthenope, im ewigen Mittagsschlaf. Bevor er dorthin käme, musste er zum Friseur, außerdem Kleider einkaufen, was er vor der Abreise tatsächlich vergessen hatte. Statt zu packen und einzukaufen, hatte er sich in einem Kinocenter den ganzen Nachmittag diverse Kinderfilme angesehen, war dann auf ein Abendbier in einer Kneipe hängen geblieben,irgendwann gegen den Wind nach Hause gelaufen und hatte wieder und wieder Bettys Anruf abgehört. Er hatte dem brüchigen Rhythmus ihrer Stimme gelauscht, den Pausen zwischen den Wörtern, bis er alles adäquat hätte mitskandieren können. »Hier ist Betty. (Räuspern) Betty Morgenthal.« Dann die Zahlen. Nach der sieben hatte sie etwas Platz gelassen, indem sie die Luft in zwei kurzen Zügen durch die Nase einsaugte, die restlichen Nummern hatte sie aneinandergereiht wie eine enggliedrige Kette.
    Er schloss die Augen. Er sank ins Dunkle. Es rauschte. Die Brandung kam näher, kam durch die Wand, schien ihn abzuholen. Er watete durch hüfthohes Wasser. Hoch auf dem Meer sah er Betty, in einem Boot, sie ruderte gegen die wilden Wellen, singend, das Lied von der Forelle. Und neben ihr stand plötzlich, wie eine Statue, die aber einem schlanken, glitzernden, aufrecht gehenden Fisch ähnelte, Lutz Wegener im Boot. Wegener streckte die flossenhafte Hand über die Wellen, bezwang das Meer, bis es ruhig, glatt und durchsichtig wurde wie eine Glasscheibe, durchquert von Sprüngen. Er setzte sich neben Betty, deren Haar bronzefarben feucht auf ihre Schultern floss. Sie hatte Heddas Gesicht. Wegener legte seine Hand auf ihr Knie. Er sagte: »Der Mond.« Mit den Fingern trommelte er auf ihrem Knie herum, als wäre sie ein Klavier. Klopfendes Geräusch. Sie schien aus Holz zu sein, innen hohl. Tom versuchte, das Boot zu erreichen, zu rennen, konnte es aber nicht im tiefen Wasser, er breitete die Arme aus. Das Klopfen wurde lauter. Ein Rufen:
    »Tom!« Wieder das Klopfen. Tom sah: Weiß, eine weiße Decke, ein rosarotes Stuckgesims. Er lag diagonal auf einem Bett, ihm gegenüber im Bildschirm war die Loren, in einem hohen Saal, tanzend.
    »Tom, schläfst du?« Es war Didi.
    »Ja! Verdammte Scheiße!«
    »Hast du einen Fön dabei?«
    »Nein, verdammte Scheiße!«
    Eine halbe Stunde später liefen sie durch Genua. Frühlingsluft strich ihnen mit blauen Fingern durchs Haar. Abendlicht segelte zwischen den hohen Palästen aufs

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