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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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zusammenstrich. Als suchte er etwas in ihrem Gesicht. Sie aber suchte nur die letzten Krümel zusammen.

GENUA
    Das Hotel, das J. C. Hepp für das mare-Quartett gebucht hatte, war ein kleiner Jugendstilbau mit gläserner geschnörkelter Eingangstür, oberhalb von Treppenstufen, darin ein Rezeptionist mit vorwurfsvollem Gesicht, weil sie nicht zu acht waren, wie es in seinem rotsamtenen Reservierungsbuch stand, sondern zu zweit, was sich aber aufklären ließ, da sich die Kollegen urlaubshalber bereits in Italien befänden, wie Didi zunächst umständlich auf Italienisch und dann auf Englisch erklärte, und erst am nächsten Tag mit ihren Familien zu ihnen stoßen würden, und so stand es letztlich auch im rotsamtenen Reservierungsbuch.
    Warum er eigentlich so wenig Gepäck habe, fragte Didi, als sie hintereinander die enge Treppe hinaufstiegen, Didi mit zwei Reisekoffern, Tom mit einer kleinen Umhängetasche, die er in der Eile mit ein paar unnützen Dingen vollgestopft hatte. Weil er nicht zum Packen gekommen sei, sagte er. Er war froh, als er in seinem Zimmer die Tür hinter sich zugeschlossen hatte.
    Sofort warf er sich aufs Bett, ein Doppelbett, und da er sich nicht entscheiden konnte, auf welcher Seite er liegen wollte, legte er sich diagonal. Das ist der Vorteil des Alleinseins, dachte er, dass man sich nicht entscheiden muss. Er rauchte und schnippte die Asche in ein Porzellanschälchen auf seinem Nachttisch, in dem ein abgepacktes Stück Schokolade lag, das er später essen würde, worauf er sich freute. Ein Fernseher stand gegenüber an der Wand. Er schaltete ihn ein und sah Sophia Loren, wie sie mit einem Mann stritt, Hände in die Hüften gestemmt, dann wieder gestikulierend. Er stellte den Ton aus, hörte Rauschen von nebenan, weil Didi offensichtlich duschte,wie er immer sofort und überall duschte, hörte außerdem die gedämpfte Verkehrsbrandung von der Straße, die sich mit den Geräuschen des Wassers angenehm vermischte, und schon wurden seine Augenlider schwer, schnitten die obere Hälfte des Zimmers, des Fernsehers ab, nur die Hüften der Loren blieben übrig, Hüften mit Fäusten und seitlich ausgestreckten Ellbogen, bis er nur noch Rauschen hörte, weil die Loren duschte, mit üppigem Körper, beglänzt vom Wasserstrom, aber sie hatte Bettys Gesicht.
    Klingeln. Viele Male. Es war dies eine Schiffssirene, und Betty arbeitete jetzt als Zimmermädchen auf einem Kreuzfahrtschiff, war aber angezogen wie die Loren, Häubchen im Haar. Es klingelte immer noch, wurde lauter, es war ein Telefon. Holler öffnete die Augen, sah die Loren, die nicht auf einem Kreuzfahrtschiff, sondern nach wie vor im Fernseher war und mit einem Mann stritt. Holler wartete, dass die Loren endlich an ihr Telefon ginge, aber das Telefon, wie er jetzt bemerkte, war nicht im Fernseher, sondern auf seinem Nachttisch.
    »Holler«, sagte er. Dann unnötigerweise: »Pronto?«
    »Ja, ebenfalls pronto!« Es war Jens-Christian Hepp, sein Agent. Schreiend. Holler hielt den Hörer etwas neben das Ohr hin. J. C. Hepps Stimme schien zu groß für den kleinen Lautsprecher. Ob er eigentlich spinnt?! Tom setzte sich auf die Bettkante und hielt es für besser, erst einmal zu schweigen.
    Er rufe Holler ständig an, spreche seinen AB voll, schicke ihm Briefe, Faxe, Zeitungsartikel, rufe ihn hundert Mal auf dem Handy an, das sei immer ausgeschaltet, sie hätten eine Konzertreise nach Italien, und der Herr denke nicht daran, einmal zurückzurufen!
    Wenn J. C. der Herr sagte, war er sehr böse. In solchen Fällenwar es richtig, seiner Wut keinen Widerstand entgegenzusetzen, sondern diese ins Leere laufenzulassen, indem man sofort alles zugab und sich vielmals entschuldigte. Holler wartete also, bis Hepp sich ein wenig beruhigt zu haben schien, sagte dann, es tue ihm leid, er habe sich furchtbar und absolut falsch verhalten, aber – obwohl es eigentlich keine Entschuldigung geben könne, wie er wisse – er habe sich nicht gut gefühlt, sein Handy sei defekt gewesen, das Ladegerät unauffindbar, Krankheit, Hedda, dazu Winter, kleine Sinnkrise, die nicht unüblich unter Musikern sei, etc.
    Jens-Christian Hepp aber, der diese Entschuldigungen schon kannte, wodurch sie nicht mehr die gleiche Wirkung zeigen konnten wie einst, war immer noch böse. Also begann Tom Holler, ihn zu loben. Er lobte den Zeitungsartikel, den er mit Hilfe seiner Beziehungen einem italienischen Feuilletonisten herausgeleiert habe, er lobte die ganze »hervorragend organisierte«

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