Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)
warf, lag in vollkommener Ruhe hinter den dünnseidigen Gardinen. Die Hunde, damit sie möglichst wenig Schmutz verbreiteten, lärmten und tobten in der, wie es hieß, Eingangshalle herum, welche, weil ohne Teppiche, von der Putzfrau leichter wieder gesäubert werden konnte.
Die Hunde, sagte Frau Hermanns oft und seufzte dabei, sind wunderbare Tiere, und sie liebt die Hunde über alles, aber sie machen so viel Dreck. So viel, dass er, Thomas, sich das wahrscheinlich gar nicht vorstellen könne, wie viel Dreck die Hunde im Einzelnen machen. Thomas, der jedoch noch nie Dreck in der Wohnung, nirgends, gesehen hatte, dachte oft, dass, wennsie der Dreck in ihrem dreckfreien Haus störe, sie einmal in seine WG, in die Küche beispielsweise, kommen müsse, um zu sehen, wie wirklicher Dreck im Einzelnen aussähe, aber er sagte es ihr lieber nicht.
Er war nah an die große Fensterfront herangetreten und sah ins Wohnzimmer, entdeckte aber niemanden, außer seinem eigenen Spiegelbild, angefüllt mit den Dingen des Hauses und den Bäumen des Gartens, beobachtete, wie sich sein weißer Atem auf der Scheibe ausbreitete und wieder zusammenzog. Er dachte daran, den Abdruck seiner Lippen zu hinterlassen, näherte sich dem Glas, aber das metallisch-kalte Geräusch des Gartentors unterbrach seine Überlegungen. Fest schloss er die Augen, wie um die Welt von sich abzuschneiden und sich neu und leer seiner Geliebten zuwenden zu können, doch als er sich umdrehte, die Lider öffnete, sah er nicht sie, sondern einen Mann, der das Tor hinter sich ins Schloss fallen ließ, groß, eindrucksvoll, und der im Gehen, mit wehenden Schößen seines geöffneten Lodenmantels, die Eleganz eines Wiener Walzers verbreitete. Sein Bauch ragte etwas über den Hosenbund, hinderte ihn, als er über die Terrassentreppe auf das Haus zustrebte, aber nicht daran, sportlich jeweils zwei Stufen auf einmal zu überwinden.
Ein Streichorchester umgab Dr. Volker Hermanns. Die Töne eskortierten ihn, während er auf den wartenden Klavierlehrer zuschritt, der erst in diesem Augenblick von ihm wahrgenommen wurde. Die Mantelschöße wogten etwas nach, als Hermanns abrupt stehen blieb, erstaunt, nicht aber erschrocken, weil ein Erschrecken, wie Tom sofort sah, für diesen Hermanns niemals in Frage käme. Ein Erschrecken, dachte Tom, läge vielmehr auf meiner Seite.
Eine Amsel sang. Einige Schneeflocken schwebten von einem Baum. Dr. Hermanns neigte neugierig sein Gesicht.
»Guten Tag«, sagte er, und in seinem Mund klang es wie eine Frage, indem er die letzte Silbe in die Höhe bog.
»Guten Tag«, sagte Tom. Er sei der Klavierlehrer, erklärte er, was objektiv gesehen nicht falsch war, aber seine Stimme verwackelte etwas.
»Ach«, sagte Hermanns, der sich den Klavierlehrer offensichtlich anders vorgestellt hatte, vielleicht repräsentativer, und erst nach einem kurzen Zögern reichte er ihm die Hand und erklärte, es sei schön, den Klavierlehrer endlich einmal persönlich, Herr …
»Holler.«
»Ach ja.« Hermanns schien zu überlegen. »Wieder aus New York zurück? Sie waren doch in New York?«, fragte er, offenbar erfreut darüber, dass irgendwo in seinem Personengedächtnis doch noch ein paar Details herumlagen, die er wider Erwarten gefunden hatte.
»Kalifornien …«, berichtigte Tom und wollte weiter ausholen.
»Ach, richtig«, sagte aber Hermanns, indem er ihm das Wort direkt von den Lippen wegschnitt. In den USA, sagte er, sei er selber für längere Zeit gewesen, nämlich in Boston, wo er studiert habe und wo es ganz fabelhafte Bedingungen gebe für junge Forscher, »ganz andere Forschungsbedingungen«, sagte er, »als bei uns, das reinste Forscherparadies haben Sie da drüben. Ich bin nämlich eigentlich Physiker, müssen Sie wissen, und bin nur durch Zufall im Management gelandet.« Er verschränkte in einer ausladenden Geste die Arme vor seiner Brust.
»Ach«, sagte Tom, das habe er nicht gewusst.
Tja, wie es eben immer so gehe, seufzte Hermanns, und sein Blick zielte knapp an Toms Gesicht vorbei in den Himmel.
Tom wollte sich verabschieden, aber Hermanns redete schon weiter. Im Süden, wo er noch heute Vormittag auf einem Meeting gewesen sei, liege nicht eine Schneeflocke, sagte er nachdenklich. Dann unvermittelt: »Fahren Sie Ski?« Die Augen, gletscherblau, etwas wässrig, stachen dabei in die seinen, aber bevor Tom verneinen konnte, schoss Hermanns’ Blick durch ihn hindurch, als hätte er bereits zu viel Zeit mit ihm verschwendet.
»Wir
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