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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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Sommer, werde es schlechter.
    »Sehen Sie«, sagte er einmal, als es draußen vor den Fenstern leicht herabschneite, »wir haben uns ein schwieriges Thema erwählt, oder besser sollten wir sagen, das Thema hat uns erwählt.« Unvermittelt stand er auf und wässerte mit einem filigranen Gießkännchen eine Reihe von Zimmerpflanzen auf dem Fensterbrett. Das überschüssige Wasser wischte er mit einem Geschirrhandtuch fort, das er anschließend zusammenknüllte und auf die Lehne seines Sessels warf. Von dort verströmte es einen säuerlichen Geschirrhandtuchgeruch, der Breitenbach offenbar entging.
    »Man soll sie nicht zu sehr gießen, denn das nehmen sie übel«, sagte er nachdenklich, als er sich wieder gesetzt hatte. Die Teetasse, der feiner Dampf entstieg, hielt er an seinen Mund gedrückt. »Bedienen Sie sich bitte«, sagte er und wies, als wollte er etwas vom Tisch verscheuchen, auf eine karierte Kekspackung. »Ich hoffe, Sie mögen Shortbread«, sagte er, »meine Schwester schickt es mir aus England herüber. Essen Sie, essen Sie«, sagte er und wedelte mit der Hand. Dann sagte er unvermittelt und in den leeren Raum hinein: »Die Liebe.« Tom und Marc bedienten sich. Wieder sagte Breitenbach: »Nun, die Liebe«, nahm einen Schluck Tee und schwieg. Gedanken scharten sich hinter seiner Stirn. »Die Liebe«, sagte er dann zum dritten Mal, indem er sich zurücklehnte und die Hände in den Hosenbund steckte, »sie ist ja nicht mehr und nicht weniger als ein Mythos, eine Leerstelle«, sagte er. Die Liebe sei ja gar nicht existent, aber deshalb so interessant. »Wir interessieren uns ja immer, gewohnheitsmäßig«, so der beigebraune Professor, »am meisten für das,was abwesend ist, und daher kommt«, sagte er, »auch unser großes, unser besonderes Interesse für die Liebe. Die Liebe nämlich ist«, sagte er, »Einbildung.«
    Die Teetassen klirrten, die Kaugeräusche lärmten in den Ohren. Vor den Fenstern schneeregnete es in feinen Strichen.
    Eine Katze, dachte Tom. Warum hat er nicht eine Katze? Eine Katze, die sich auf dem beigebraunen Schoß des Professors zusammenrollt und Wärme spendet und schnurrt.
    Breitenbach sagte laut: »EINBILDUNG. Achten Sie auf das Wort!«, sagte er. »Denn wir bilden die Liebe in uns hinein , prägen das Bild dieser Liebe in unser Inneres ein«, sagte er, und dieses Wissen, fuhr er fort, dieses grandiose Wissen, hätten die Menschen der Antike und des Mittelalters den Heutigen, uns Heutigen, vorausgehabt, weil jene nämlich im Gegensatz zu uns gewusst hätten, dass diese ein-gebildete Liebe nur und immerzu absolut selbstbezüglich sein könne, aus uns selbst herauskomme und in uns selbst wieder hineingehe, ganz wie übrigens die Melancholie, »das in sich selbst eingeschlossene, sich selbst einschließende Denken«, sagte er und nahm einen Schluck Tee, der in seinem Hals hinabrumpelte.
    Nicht umsonst, sagte der Professor, hätten die Ärzte früherer Zeit, Galenus, Avicenna und so weiter und so fort, die Liebe als eine Krankheit behandelt, als ein der Melancholie verwandtes Leiden, »ja, ja, Sie haben richtig gehört: »Amor qui dicitur hereos est vehemens et assidua cogitatio supra rem desideratam«, denn die Liebe, sagte er, entstehe in erster Linie aus dem Denken des Liebenden und nur zweitrangig aus der Anschauung, und es genüge ein Schemen, ein Schatten der Geliebten, die Länge eines Augenblicks, eine vage Erinnerung auch, und das phantasma sei geformt, von dem bereits Aristoteles spreche,sagte er, und welches die Vorstellungskraft in Gang setze wie einen gewaltigen Motor. »Das Denken«, sagte er und schwieg.
    Tom stellte sich vor, wie eine Spinne ihr Netz um den Professor herum aufbaute, einen Faden nach dem anderen aus dem vorhergehenden entspann. Der Professor, der schwieg und dachte, war schon ganz eingesponnen vom Spinnennetz, als er endlich weitersprach. »Das Denken, sehen Sie«, sprach er langsam, »es steht im Mittelpunkt aller früheren Texte über die Liebe. All diese Dichter, Ärzte, Philosophen, sie sprechen von der Liebe und meinen doch nichts anderes als das Denken. Amor de Lonh«, fuhr er nachdenklich oder schläfrig fort, »die Liebe von fern«, murmelte er leise, bevor er abrupt aus seinem Denkschlaf zu erwachen schien. »Sehen Sie, es gibt Texte in der Minnelyrik«, und seine Hände steckten noch im grünen Hosenbund fest, aber die Ellbogen wedelten jetzt im Takt der Rede wie Flügel, »es gibt Texte, in welchen die Vorstellung dem Objekt der Begierde,

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