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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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Augen seines Gastes hinein. Tief trieb er seinen gletscherblauen Blick in dessen Pupillen, dass es sich daraufhin im Gast ganz eisig anfühlte.
    »Ich weiß nicht«, sagte der.
    »Ach«, sagte Hermanns.
    »Wenn sie was Sinnvolles mit dem Geld anfängt«, sagte Tom und versuchte, kühn zu werden. »Es ist ja ohnehin vorhanden, ist ja ohnehin da.«
    »Ach so«, sagte Hermanns, verwundert offenbar über des jungen Gastes Kühnheit. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme, indem er die Handflächen unter die Achseln klemmte. Er blinzelte mehrere Male, als müsste er die Windschutzscheibe seiner Weltsicht reinigen. Dann sagte er »neinnein«. Er lächelte bedauernd über das Unverständnis des Gastes, dieser habe ihn ja falsch verstanden, sagte er bedauernd, denn er meine ja keineswegs, dass Kunst sich am Markt behaupten müsse. Ganz im Gegenteil, sei er, Hermanns, doch der Auffassung, dass sie ein Luxus sei und bleibe, und es gebe ja doch genügend Stipendien, staatliche Fördermittel, und auch sie, die Wirtschaft, wir, die Wirtschaf t, sagte er, tue ja seit einiger Zeit viel für die Kunst. Er selbst sei ein Kunstliebhaber, ja ein richtiger Kunstfan. Sie, dieHermanns’, hätten ja sogar ein Opernabonnement und auch für die zeitgenössische Kunst interessiere man sich, und wohl kaum hätte er seiner dilettierenden Frau übrigens einen nagelneuen, obschon kleinen Steinway mir nichts, dir nichts gleich gekauft, wenn er nicht ein richtiger Kunstfan wäre, oder? Wo er doch jetzt schon wisse, dass sie ohnehin in ein paar Monaten wieder keine Lust mehr habe und was anderes machen wolle, und dann stehe der Steinway sowieso in der Ecke herum.
    Der Faden seiner Rede war abgerissen oder abgeschnitten worden von einer unvorhergesehenen Gedankenschere. Er schenkte Whiskey nach und trank schnell. Auch Tom nahm einen großen Schluck zu sich. Sein Kopf wurde heiß, schien sich zu blähen.
    Aber Hermanns spann einen neuen Redefaden, während er das Glas in der Hand hielt, in welchem nur noch ein goldener Fleck über den Boden strich in der kreisenden Bewegung, die Hermanns mit seinem Blick verfolgte. Auch habe er ja seinen Kindern alles ermöglicht, auch alles mit der Kunst in Zusammenhang Stehende. Musikunterricht, Tennis, Ballett. Einfach alles habe man ihnen immerzu vorn und hinten reingeschoben, sagte er. »Vielleicht ist es zu viel gewesen«, sagte er, aber das Glas antwortete nicht, und Tom fühlte sich nicht angesprochen. »Vielleicht haben wir ihnen zu viel ermöglicht, haben ihnen keine Widerstände entgegengesetzt, und sie haben sich in der Mittelmäßigkeit eingerichtet, weil sie ja gar nichts haben machen müssen und alles immer nur vorne und hinten reingeschoben bekommen haben«, sagte er und trank das Glas aus, das daraufhin leer war, aber noch immer nichts antwortete.
    »Und das haben wir jetzt davon«, sagte er, »dass wir immer nur das Beste für unsere Kinder wollten, immer noch wollen«, sagteer, »der eine macht gar nichts, und die andere macht Kunst!«, sagte er. »Der eine fängt ein BWL-Studium an, und darin verliert er sich angeblich und fängt an sich zu suchen, sich selbst zu suchen«, (wieder die Handbewegung), »wie er sagt, und die andere bildet sich ein, Schauspielerin sein zu können und Kunst machen zu können, dabei kann sie es nicht und ist aber zu schwach, es sich einzugestehen. Dass es einfach nicht reicht, dass die Begabung nicht ausreicht!« Unvermittelt änderte sich sein Ton: »Dabei wünsche ich es ihr so«, sagte er nun in einem lauten Flüstern, »mein Gott, ich wünsche es ihr ja so!« Er sank etwas ein, presste seinen Daumen auf die Nasenwurzel, bevor sich sein Oberkörper wie von einer Schnur gezogen wieder streckte und seine Hand blitzartig nach vorn schnellte und hohl auf die Tischplatte klatschte, dass es ein hallendes Geräusch gab. »Mein Gott, das ist doch Kasperltheater, das alles! Kalter Kaffee!«
    Hermanns fasste sich, indem er Whiskey nachschenkte und nachtrank. Dabei habe er, fuhr er, wieder gefasst, fort, im Allgemeinen ja hohe Achtung vor den Künstlern, vor denen, die es schafften, aus eigener Kraft heraus etwas zu tun und damit ihr Geld zu verdienen, hohe Achtung habe er, aber man müsse sich eben auf den Hosenboden setzen. Die Künstler seien ja letzten Endes Unternehmer, wie er selber (er selber sei ja in leitender, daher unternehmerischer Position), also wisse er, was es heiße, aus sich selbst heraus tätig zu sein, zu schöpfen. »Ob sie Business machen oder

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