Die Orestie
der Erinnyen,
Aus meines Vaters ungerächtem Blut erzeugt,
Der Gott, der hellsieht, dessen Aug die Nacht durchschaut;
Denn auch der nächtig dunkle Pfeil der Unteren,
Die umgebracht sind durch der Verwandten Missetat,
Wahnsinn, Entsetzen, nächtger Träume hohle Furcht,
Treibt mich, verstört mich und verfolgt aus aller Stadt
Mit eherner Geißel meinen gottverfluchten Leib!
Wer so gebrandmarkt, nimmer an der Becher Lust
Sei dem ein Anteil, noch an heilger Spende Guß;
Man scheuch ihn von den Altären, den lebendgen Zorn
Des Vaters, niemand gönn ihm gastlich Tisch und Bad;
Verarmet, ehrlos, ohne Freund, so sterb ich einst
Elend im Siechtum, ausgedörrt bis in den Tod!
Solch einem Ausspruch muß man glauben und vertraun;
Und traut ich minder, dennoch muß die Tat geschehn;
Vielfacher Antrieb strömt vereint auf mich herein,
Des Gottes Auftrag, meines Vaters große Schmach,
Des eignen Lebens Dürftigkeit, das alles läßt
Mich meine Bürger, aller Zeit berühmteste,
Die Überwinder Ilions in Heldenkraft,
Nicht länger untertänig zween Weibern sehn;
Denn weibisch ist sein Mut; wenn nicht, bald sehen wir's!
CHORFÜHRERIN.
Ihr gewaltigen Moiren, mit Zeus' Beistand
Werd so es vollbracht,
Wie das Recht mitwandelnd den Pfad zeigt!
»Für feindliches Wort sei feindliches Wort!«
Also ruft Dike, die lautere, laut,
Wenn die Buße des Hasses sie eintreibt!
»Für blutigen Mord sei blutiger Mord!
Wer tat, muß leiden!« So heißt das Gesetz
In den heiligen Sprüchen der Väter!
Erste Strophe
ORESTES.
Vater, du armer Vater, was bringen dir, sagen dir kann ich,
Das tief reichte zu dir hinab, wo du in Grabes Nacht ruhst?
Gleich wechseln sich Licht und Nacht; also erschall zugleich
Freude, Klage dir feierlich, Hort du in Atreus' Haus sonst!
Zweite Strophe
CHOR.
O Kind, bewältigt
Wird des Toten Gedanke nicht durch den blendenden Zahn der Glut;
Spät einst zeigt er des Zorns Macht!
Und bejammert wird der Tote,
Und erkannt wird, der ihn totschlug;
Des Erzeugers Todesfluch will,
Der gerechte Zorn des Toten,
Sein Recht will er, empört verlangt er's!
Erste Gegenstrophe
ELEKTRA.
Höre du, Vater, nun meinen Gram, meinen, den tränenreichen!
Die zwei Kinder an deinem Grab jammern den Klagegesang dir!
Schutzflehende müssen wir, landesverjagt, wir hier stehn!
Ist denn recht das? Und ist's nicht schlecht? Oder erliegt die Schuld nie?
CHORFÜHRERIN.
Doch ein Gott kann einst dafür, wenn er will,
Euch froheres Lied noch zu singen verleihn,
Statt des Klagegesangs, den am Grab ihr weint,
In der Königsburg, in der Väter Palast,
Ein neues, ein freudiges Festlied!
Dritte Strophe
ORESTES.
Wärst du vor Ilion
Unter lykischen Speeren,
Mein Vater, sterbend hingesunken,
Du hättest Ruhm deinem Haus gelassen,
Den Lebenspfad schön und gut vorgebahnt deinen Kindern;
Ein gehügeltes Grab ragte drüben am Seegestad dir,
Ehrte daheim die Deinen!
Zweite Gegenstrophe
CHOR.
Der Freund bei Freunden
Lägest du, die im Heldenkampf fielen, unter der Erde noch
Ihr machtheiliger Führer,
Ein Gefährte du im Hades
Der gewaltgen Totenfürsten;
Denn hienieden warst du König,
In der Hand das höchste Los dir,
Der Macht menschengebietend Zepter!
Dritte Gegenstrophe
ELEKTRA.
Nein, vor den Ilischen
Mauern mußtest du, Vater, nicht
Vom Speer gleich andrem Volk erschlagen,
Begraben nicht bei Skamanders Flut sein;
Nein, mußtest ehr die daheim, welche dich so erschlugen,
Von dem Tode gemäht, selber fern, in der Ferne hören,
Alle das Leid nicht leiden!
CHORFÜHRERIN.
Was du sagst, Kind, kostbarer denn Gold,
Glückseliger ist's als seligstes Glück,
Hyperboräisches Glück; denn du klagest!
Doch der doppelten Geißel entsetzend Getös,
Schon nahet es sich;
Denn die Toten, sie sind ja zum Beistand nah,
Und der Lebenden Hände, sie sind nicht rein
Von verruchtester Schuld
Und der doppelten Schuld an den Kindern!
Vierte Strophe
ELEKTRA.
Dringt mir das Wort doch ins Ohr
Scharf wie ein schneidender Pfeil!
Zeus! Zeus! der du empor ein spätstrafend Gericht des Schicksals
Der allfrevelnden, frechen Hand schickst,
Gleiches erfülle du unsern Eltern!
Fünfte Strophe
CHOR.
Ein Festlied singen möcht ich einst, hell aufjubeln zum Schein der Fackeln
Über das Blut des Mannes,
Über das Blut des Weibes! Bergen wozu, wie die Hoffnung
Hoch fliegt! Treibt doch scharfwehender Zorn in schneller Fahrt,
In
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