Die Orestie
jenen find auf meines Vaters teurem Thron,
Er dann herabsteigt, nah sich vor mein Angesicht
Hinstellt und spricht und, glaub mir, mich mit dem Blick verhöhnt –
Noch eh er fragt: »Von wannen, Fremdling, kommst du?« tot
Streck ich ihn nieder mit des Schwertes heißem Schlag.
So wird Erinnys, nie des Mordes noch verarmt,
Zum dritten Trunk dann trinken ungemischtes Blut!
Du aber, Schwester, wach im Hause mußt du sein,
Daß alles das mir gut zusammentreffen mag;
Auch euch ermahn und bitt ich, wahret euren Mund,
Schweigt, wo es not ist, sprechet, was sich ziemt und frommt!
Das andre laß ich diesem Gott befohlen sein,
Der diesen Blutkampf meines Schwertes mir gebeut.
Orestes, Pylades und Elektra ab.
Erste Strophe
CHOR.
Erde wohl nähret manch riesengrausig Ungeheur,
Tief in Meeres dunklem Grund wimmelt wohl
Manch Knäul menschengierger Scheusale,
Und durch die Abenddämmrung hin
Schweift des Meteores Schein,
Schweift das Geflügel der Lüfte, das Wild in der Waldung
Und der Windsbraut Wolkenjagd!
Erste Gegenstrophe
Aber wer nennt des Manns freche Stirn mit Namen je,
Wer die scheulose Wut je des Weibs,
Dies allfrechste, lüstre Lustbuhlen,
Den Menschen alles Jammers Kost!
Solcher Ehe, solches Paars
Weibergeherrschtes, verworfenes Lieben erreicht nichts
Ungeheures, Menschliches!
Zweite Strophe
Hört ihr, so ihr nicht mit Flattersinn
Eitlen Spiels forschet,
Was einst Thestias, was die Kindesmörderin arg ersann,
Jenen Brand geheimen Mordes!
Sie hat verbrannt ihres Sohnes
Lebensfackel, die mit ihm war,
Seit ihr Schoß ihn geboren,
Mit ihm währte sein Lebelang,
Bis sein Ende gekommen.
Zweite Gegenstrophe
Ihr gleich sei in aller Mund verhaßt
Skylla bluttriefend;
Sie hat Feindes halb einen, der ihr teuer war, umgebracht!
Mit goldgeflochtnem Kreterhalsband,
Mit Minos' Brautgabe bestochen,
Schnitt das Haar der Unsterblichkeit
Sie dem schlafenden Nisos,
Die Schamlose, dem Vater ab;
Doch einholte sie Hermes.
Dritte Strophe
Gedacht ich so unerweichbar grauser Wut,
So ist es unzeitig, noch der schnöden Eh, noch dem Greul in diesem Haus,
Den weiberarglistgen Ränken wider ihn,
Den Mann im Kriegswaffenschmuck,
Den Mann, des Ruhm aller Feinde Schrecken war –
Ehrfurcht noch da diesem ausgebrannten Herd,
Dem ohnmachtfeigen Weib zu hegen!
Dritte Gegenstrophe
Vor allen Untaten ragt die lemnische;
Als ganz verrucht wird in aller Sage sie nachgeklagt; doch dieses Greul,
Wohl wird's mit Recht dem von Lemnos gleich genannt!
Durch gottverabscheute Schuld
Versinkt, entweiht seiner Ehren, dies Geschlecht;
Denn keiner ehrt fürder, was der Gott verwarf.
Ist eins hier, was ich nicht gerecht zeih?
Vierte Strophe
Das auf die Brust gesetzte Schwert,
Hinein bohrt's tief bitterscharfen Mord unter Dikes Hand; denn Todsünde tritt
Nimmer niemand in den Staub; die alle Furcht
Vor Zeus hinwegwerfen, sind des Todes!
Vierte Gegenstrophe
Auf festem Grund steht Dikes Macht;
Ihr Richtschwert wetzt Aisa schon, die Schwertfegerin; es bringt den Sohn heim ins Haus,
Alten Hauses ältre Schuld zu züchtigen,
Die wache, listkundge Nachterinnys! –
Orestes und Pylades mit einigen Begleitern, alle als Wanderer gekleidet.
ORESTES
an die Tür der Gastwohnung pochend.
He, Bursch! Du hörst, man pocht hier an der Außentür!
Ist keiner da? Bursch! heda, Hausbursch! öffne doch!
Zum dritten Male ruf ich dich, mir aufzutun,
Wenn bei Aigisthos' Zeiten ihr noch gastlich seid!
BURSCHE.
Ja doch, ich höre! Freund, wer bist du und woher?
ORESTES.
Der hohen Herrschaft deines Hauses hier bestell,
Zu ihnen käm ich, brächte Neuigkeiten mit.
Mach schnell; es fährt in ihrem dunklen Wagen schon
Die Nacht herauf; Zeit wird es, daß ein Wandersmann
In seinem Gasthaus Anker wirft, sich auszuruhn.
Es komme jemand, der Gewalt hier hat, die Frau
Etwa des Hauses, doch der Mann ist schicklicher;
Denn wenn Verlegenheit das Wort nimmt, Freund, so tappt
Die Red im Dunkeln, aber dreister spricht der Mann
Zum Mann, und Zeugnis sagt er deutlich und genau.
Bursche ab. Klytaimestra tritt mit Elektra und einigem Gesinde auf.
KLYTAIMESTRA.
Fremdlinge, sagt, was ihr bedürft; euch steht bereit,
Was irgend unsrem Fürstenhause ziemen wird,
Ein warmes Bad und, aller Müdigkeit Entgelt,
Ein weiches Lager, biedrer Wirte Gegenwart;
Und wäre weitres euch mit mehr Bedacht zu tun,
So ist's der Männer Sache; wir
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