Die Orks 01 - Die Rückkehr der Orks
alte Königsstadt überhaupt existierte. Sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, entsprach nicht seiner Philosophie, lieber richtete er sein Streben und seinen Verstand nach vorn, auf die Zukunft, die er stets fernab von allen sterblichen Belangen an den Fernen Gestaden vermutet hatte.
Doch die Fernen Gestade waren weit entfernt, und das Schiff, das ihn dorthin bringen sollte, war ohne ihn ausgelaufen. Statt an Bord dieses Schiffes zu sein, befand er sich in Tirgas Lan, in dunkler Nacht und an der Spitze eines Heeres, und der Geruch von Fäulnis und Verfall, der die Luft schwängerte, ließ nichts Gutes erahnen; das Böse wirkte an diesem Ort. Loreto zürnte Alannah, dass sie ihn in diese missliche Lage gebracht hatte, indem sie aus dem Tempel von Shakara geflohen war und hergelaufenen Unholden den Weg zur Verborgenen Stadt gewiesen hatte. Der Elfenfürst schwor sich, dass er seine einstige Geliebte dafür zur Rechenschaft ziehen würde …
Loreto und sein Heer näherten sich immer mehr der Zitadelle. Auf deren Zinnen loderten plötzlich gelbe Flammen auf. Zuerst zählte der Elfenfürst ein Dutzend, aber in Windeseile verdoppelte und verdreifachte sich ihre Zahl – und dann stiegen sie steil in den dunklen Himmel, feurige Spuren in die Schwärze der Nacht ziehend.
Der Anblick war faszinierend – bis Loreto mit einem Mal begriff, was da geflogen kam:
Brandpfeile!
»In Deckung!«, schrie er mit schriller Stimme, woraufhin sich die Fußkämpfer hinter ihre Schilde kauerten – keinen Augenblick zu früh.
Schon prasselten die lodernden Geschosse nieder und überzogen die Straße mit einem tödlichen Feuerregen. Einige Elfenkrieger, die zu lange gezögert hatten, wurden von den Brandpfeilen getroffen, die meisten aber wehrten sie mit ihren Schilden ab. Nur wenige Augenblicke später war der Spuk vorbei, aber Loreto sah, dass auf den Wehrgängen der Zitadelle schon die nächste Attacke vorbereitet wurde.
»Orks!«, rief jemand mit krächzender Stimme – es war kein anderer als Heermeister Ithel, der an der Spitze der Vorhut zurück zur Hauptstreitmacht preschte. »Es sind Orks! Ein ganzes Heer von ihnen!« Er zügelte sein edles Pferd neben dem noch edleren von Fürst Loreto und stieß hervor: »Die Unholde sind bis an die Hauer bewaffnet, Herr, und sie halten wie vermutetet die Zitadelle besetzt!«
»Wusst ich's doch!«, zischte Loreto, und im nächsten Moment drang von den Zinnen der Zitadelle das wütende Gebrüll der Orks herüber. Der Elfenfürst erschauderte. Er wollte es nicht, wollte nicht kämpfen, wollte nicht sein Leben riskieren für eine Sache, an die er nicht glaubte. Was scherte es ihn, was der Welt der Sterblichen widerfuhr? Sollte sich Alannah mit den Finsterlingen verbünden, ihn brauchte es nicht zu kümmern; er wollte ohnehin der Enge der sterblichen Welt entfliehen, um an den Fernen Gestaden eine neue Heimat zu finden.
»Was sollen wir tun, Fürst Loreto?«, verlangte Ithel zu wissen. »Soll ich den Angriff befehlen?«
»Den Angriff?« Loreto zögerte. Sicher, ein Teil von ihm, jener, der zu Pflichterfüllung und Gehorsam erzogen war, wollte dem Drängen des Heermeisters nachgeben – ein anderer hingegen sah den Kampf um amber längst als verloren an: Wozu sein Leben aufs Spiel setzen, um eine Welt zu retten, die nicht gerettet werden wollte?
»Nein«, sagte Loreto deshalb und schüttelte den Kopf. »Wir werden nicht angreifen.«
»Was?« Der Heermeister starrte ihn ungläubig an.
»Ordnet den Rückzug an, vortrefflicher Ithel.«
»Aber …«
»Unser Auftrag lautete, die Priesterin von Shakara aus der Gewalt ihrer Entführer zu befreien, bevor sie ihnen den Weg nach Tirgas Lan weist. Offensichtlich ist es zu spät dafür, also gibt es hier nichts mehr für uns zu tun.«
»Aber Fürst Loreto! Wir dürfen nicht zulassen, dass Unholde die alte Königsstadt besetzt halten. Ihr wisst, wessen Geist in den Mauern von Tirgas Lan nach alter Sage gefangen ist!«
»Und? Erwartet Ihr, dass ich das Leben meiner Männer opfere einer alten Geistergeschichte wegen?«
»Aber in den Schriften Farawyns …«
»Ich weiß, was in den Schriften Farawyns geschrieben steht, Heermeister Ithel. Dennoch bin ich nicht gewillt, mein Leben und das meiner Krieger …«
»Mit Verlaub, Fürst Loreto«, fiel Orthmar von Bruchstein ihm ins Wort; der Anführer der Zwerge hatte alles mitangehört, und so einfach wollte er nicht auf den Schatz verzichten. »Macht Ihr es Euch nicht zu leicht? Ist es
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