Die Orks 02 - Der Schwur der Orks
schauten sich an. Zur Tarnung trugen sie weite Kutten mit Kapuzen, unter denen sie ihre Gesichter verbargen.
Ein dunkler Signalton hallte plötzlich über Kal Anar, ein Laut, der sich so finster und unheimlich anhörte, als würde er geradewegs aus den Tiefen des Berges dringen. Eine endlos scheinende Weile hielt er an, dann verstummte er wieder.
»Weiß nicht«, erwiderte Gurn mit grimmigem Blick. »Aber eins sicher – macht Menschen Angst.«
Damit hatte der Eisbarbar zweifellos recht, denn wohin Nestor auch schaute, überall auf den Treppen und in den engen Gassen sah er furchtsame Mienen.
Was ging hier vor?
Die letzten Tage hatten sie dazu genutzt, sich ein Bild von den Zuständen in Kal Anar zu machen. Herausgefunden hatten sie dabei bislang allerdings nicht allzu viel – die Stadt am Berg mit ihren Pfahlbauten und ihren fremdartigen Bewohnern war ihnen immer noch ein Rätsel.
Der Einheimische, auf den sie gleich nach ihrer Ankunft in der Stadt getroffen waren und dessen Name Lao war, hatte ihnen aus Dankbarkeit, dass sie ihn am Leben gelassen hatten, nicht nur Unterschlupf gewährt, sondern auch versucht, ihre Fragen zu beantworten.
Natürlich hatte sich dies einigermaßen schwierig gestaltet, weil Lao die Sprache der Westmenschen nicht beherrschte und Nestor und Gurn im Gegenzug die Abart des Arunischen nicht verstanden, die in Kal Anar gesprochen wurde. Indem sie wild gestikulierten und sich ab und zu mit kleinen Zeichnungen behalfen, hatten es Nestor und Gurn jedoch immerhin geschafft, einige grundlegende Dinge in Erfahrung zu bringen.
Demnach lebten die Menschen von Kal Anar in ständiger Furcht. Vor gut acht Monden hatte sich offenbar etwas ereignet, das die Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner verändert hatte. Etwas schien zurückgekehrt zu sein. Etwas Dunkles, Böses, das aus grauer Vergangenheit erneut einen Weg in die Welt gefunden hatte und den Menschen Angst machte.
Es residierte oberhalb der Stadt im Schlangenturm und sorgte dafür, dass die Furcht in den Straßen herrschte und grausame Hinrichtungen an der Tagesordnung waren. Grässliche Schlangenkreaturen, die sich durch die Luft bewegten, dienten dieser unheimlichen Macht.
Nestor und Gurn war klar, dass damit die Basilisken gemeint waren, aber sie begriffen nicht, wie alles zusammenhing, und sie wollten nicht zu den Orks zurückkehren, ehe sie dies nicht herausgefunden hatten. Sie hatten zum Schlangenturm gehen wollen, um mehr in Erfahrung zu bringen, aber Lao hatte sie energisch davon abgehalten.
Wie er ihnen klarmachte, grenzte es an Selbstmord, sich dem Turm zu nähern, und er hatte sie um Geduld gebeten. Allem Anschein nach würde sich in den nächsten Tagen etwas ereignen, das ihre Fragen beantworten würde.
Also hatten sie gewartet.
Den ersten Tag über hatten sie sich in Laos Haus versteckt gehalten und sich erst bei Nacht auf die Straße gewagt. Dann jedoch waren sie mutiger geworden, und verhüllt in den Kutten, die Lao ihnen besorgt hatte, schauten sie sich auch am Tag in der Stadt um und mischten sich unters Volk.
Tagsüber herrschte reges Treiben in den Gassen von Kal Anar. Die Menschen gingen ihrer Arbeit nach wie in jeder anderen Stadt: die Handwerker in ihren Werkstätten, die zur Straße hin offen waren, sodass man ihnen bei der Fertigung neuer Gegenstände zuschauen konnte; die Händler auf Märkten und Basaren, die auf den freien Plätzen der Stadt abgehalten wurden. Doch nur auf den ersten Blick schien Kal Anar eine Stadt wie jede andere zu sein – wer genauer hinschaute, der entdeckte Unterschiede. Und je länger sich Nestor und Gurn innerhalb der Stadtmauern aufhielten, desto mehr davon fielen ihnen auf.
Da war zum einen die Menge an Soldaten, die beinahe allgegenwärtig waren. In ihren schwarzen Rüstungen und mit den Helmen, deren Visiere die Gesichter verdeckten, wirkten sie finster und bedrohlich, und wohin man auch kam, traf man Patrouillen dieser schwer gerüsteten Soldaten an. Ihre Schilde zeigten das Bannermotiv Kal Anars, den roten Basilisken. Die Einwohner der Stadt fürchteten sie, und das aus gutem Grund. Mehrere Male hatten Nestor und Gurn beobachtet, wie sich die Soldaten willkürlich Männer und Frauen aus der Menge griffen und sie fast zu Tode prügelten.
Und es gab Hinrichtungen – selbst für geringfügige Vergehen. Kaum ein Tag verging, an dem nicht irgendwo in der Stadt ein armes Schwein am Galgen endete. Was geschehen würde, wenn herauskam, dass Nestor und Gurn in ihrer Heimat
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