Die Orks 02 - Der Schwur der Orks
hatte. Sein eigener Zorn und sein Durst nach Rache verloren sich darin wie eine einzelne Flamme in einer lodernden Feuersbrunst. Loreto hatte das Gefühl, sich aufzulösen und eins zu werden mit der abscheulichen Kreatur, und obwohl er sein Leben lang nur an sich selbst gedacht und seinem eigenen Vorteil gedient hatte, störte er sich nicht daran. Er war überzeugt, die Erfüllung gefunden zu haben, gerade so, als hätte er nach langer Fahrt das Ufer der Fernen Gestade erreicht …
In diesem Moment klappte unterhalb der starrenden Augen ein Schlund auf, mit mörderischen Zähnen versehen, der einen Elfen mit einem einzigen Zuschnappen verschlingen konnte.
In dem Augenblick, da Loreto in das weit geöffnete Maul der Kreatur blickte, riss der dünne Faden, der seinen Verstand noch über dem Abgrund des Wahnsinns gehalten hatte.
Der Elfenfürst schrie wie von Sinnen, während der dunkle Schlund auf ihn zustürzte, sich über ihn stülpte und ihn mit Haut und Haaren verschlang …
An einem anderen, weit entfernten Ort schreckte Alannah, Königin von Tirgas Lan, aus dem Schlaf.
Sie brauchte einige Augenblicke, um sich im Halbdunkel ihres Schlafgemachs zurechtzufinden. Ihr Atem ging heftig, kalter Schweiß stand ihr auf der hohen Stirn. Erst als sie neben sich die vertraute Gestalt ihres Gatten Corwyn erblickte, der tief und fest schlief und dessen Brustkorb sich in regelmäßigen Atemzügen hob und senkte, beruhigte sie sich ein wenig.
Wieder hatte sie diesen Traum gehabt, der sie schon seit einiger Zeit verfolgte und der über sie kam, Nacht für Nacht, sobald sie die Augen schloss.
Loreto …
Der Gedanke an ihren ehemaligen Geliebten, den abtrünnigen Elfenfürsten, betrübte Alannah, und sie fragte sich, was jener Traum zu bedeuten hatte. Zu lange war sie die Hüterin der Geheimnisse ihres Volkes gewesen, zu sehr wurde sie von ihren Erfahrungen geprägt, zu umfangreich war ihr Wissen um die Vergangenheit, als dass sie nicht gewusst hätte, dass Träume bisweilen mehr waren als bloßer Zufall.
Lichtfeuer im Dunkel der Geschichte – so hatte Farawyn der Seher sie einst genannt. Wenn seine Worte stimmten – so wie alles gestimmt hatte, was er niedergeschrieben hatte –, standen Erdwelt dunkle Zeiten bevor.
Alannah schaute Corwyn an, der neben ihr lag, und bedachte den König von Tirgas Lan mit einem liebevollen, fast bedauernden Blick.
Sie würde handeln müssen …
BUCH 1
KUNNART ANN OUR
(GEFAHR IM OSTEN)
1.
DA KOUN'KINISH'HAI
Langeweile.
Dies war das Wort, das ihren Zustand am treffendsten beschrieb.
Eingesperrt zwischen steinernen Wänden, schienen ihre Tage endlos zu sein, erfüllt von Fressen und Saufen, von wüsten Gelagen, die ihren Sinn vor langer Zeit verloren hatten.
Zeit …
An diesem Ort der Welt bedeutete sie nichts, plätscherte so belanglos dahin wie das Blut aus der durchschnittenen Kehle eines Gnomen.
Bisweilen, wenn sie erwachten, hatten sie das Gefühl, den Schlag ihrer Herzen nicht mehr zu hören, weil ihre Schädel vom vielen Blutbier so laut dröhnten, als würden tausend verrückte Zwerge darin auf tausend Ambosse hämmern. Sie stellten sich dann vor, dass Kuruls dunkle Grube sie längst verschlungen hätte und dass ihre Taten zu Sagen geworden wären.
Die Sache war nur – sie würden nicht in Kuruls Grube stürzen, jedenfalls vorerst nicht. Schon deshalb nicht, weil sie ihr Leben nicht mehr riskieren mussten. Ihr großes Abenteuer hatte vor mehr als zwölf Monden ein glückliches Ende gefunden, und wenn überhaupt, dann würden sie an Verfettung sterben. Oder am Blutbier, das ihre Sinne so benebelte, dass sie nicht mehr zurückfanden nach sochgal . Oder sie würden sich bei einem der ausgiebigen Gelage so überfressen, dass kein noch so breiter Gürtel mehr reichte, ihre prall gefüllten Mägen am Platzen zu hindern; dann würde es einen dumpfen Knall geben, und von Balbok und Rammar, den Häuptlingen des bolboug, würde nichts übrig bleiben als faltige, ledrige, mit Geschwüren übersäte Haut, geborstene Rippen und eine Menge matschiger Innereien.
Keine sehr erbauliche Aussicht.
Zu Beginn ihrer Regentschaft hatte es Rammar genossen, auf dem mit Wargenfell bezogenen Thron in der größten und dunkelsten Höhle des Dorfes zu sitzen, umgeben von Unmengen Gold und Edelsteinen, die sein Bruder und er ›erbeutet‹ hatten. Ein Mensch hätte es vielleicht anders ausgedrückt und von ›gestohlen‹ gesprochen; jedenfalls hatten sie es sich mit List und
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