Die Orks 03 - Das Gesetz der Orks
nach. Alles, was er sah, war der bedrohliche Wald von Masten, der sich aus dem Nebel schälte, und für ihn stand fest, dass er verraten worden war.
Offenbar hatte die Gegenseite von dem geplanten Überfall Wind bekommen, und das bedeutete, dass jemand geplaudert hatte. Cassaros Entsetzen ging nicht so weit, seinen Leuten absichtlichen Verrat zu unterstellen. Wahrscheinlich, sagte er sich, war das Kommando tatsächlich gefasst und seine Männer gefoltert worden. Cassaro hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass der tapfere Rammar bis zuletzt geschwiegen und kein Wort von dem Plan verraten hatte. Bei Rammars Bruder aber sah er die Sache anders. Die Orks, die Cassaro kannte, waren – mit Ausnahme von Rammar – feige und erbärmlich; sie schufteten als Sklaven in den Minen unter der Kristallburg, und niemals hatte es einen Aufstand gegeben. Bestimmt war es Balbok, der gesungen und damit nicht nur das Unternehmen vereitelt, sondern die ganze Piratenbruderschaft der Vernichtung preisgegeben hatte.
Unbändige Wut schoss in Cassaro hoch. Seine bleiche Gesichtshaut verfärbte sich und wurde puterrot, die Adern an seinen Schläfen schwollen an. Rasch wog er seine Möglichkeiten ab und überlegte, was zu tun wäre. Für Flucht war es zu spät, und ein Angriff auf Crysalion, wie er ihn geplant hatte, ergab unter diesen Voraussetzungen keinen Sinn. Ihm blieb nur der Kampf, und das hieß: Tod und Untergang – oder ein glorreicher Sieg, von dem man noch in Generationen sprechen würde.
Auch wenn das nicht sehr wahrscheinlich war …
Mit dem Mut der Verzweiflung riss Cassaro den Elfensäbel heraus, den er einst einem getöteten Gegner abgenommen hatte, und stieß die gekrümmte Klinge senkrecht in die Luft.
»Zum Angriff«, brüllte er, »drauf und dran!«
»Drauf und dran!«, scholl es aus Hunderten heiseren Kehlen zurück.
Corwyn sah sie kommen.
Es waren keineswegs nur ein paar Schiffe, die sich aus den Schatten der Felseninseln lösten – es war eine ganze Flotte.
Von Westen hielten sie auf die Fernen Gestade zu, in spitzem Winkel zu Corwyns eigenem Verband, sodass sie einander schon bald begegnen würden. Und das bedeutete Kampf. Denn die schwarzen, mit grausigen Knochensymbolen versehenen Flaggen, die an den Masttopps der fremden Kriegsgaleeren flatterten, ließen keinen Zweifel an den Absichten ihrer Besatzung, die noch dazu in wildes Geschrei verfallen war.
»Wer sind die?«, wollte Corwyn von Dun'ras Ruuhl wissen, der neben ihm an der Back stand.
»Piraten«, erklärte der Dunkelelf. »Sie treiben schon seit langer Zeit vor der Küste ihr Unwesen. Sie haben uns amüsiert, also haben wir sie gewähren lassen.«
»Was uns jetzt zum Verhängnis wird«, versetzte der König.
»Kaum.« Ruuhl verzog keine Miene. »Oder willst du behaupten, die königlichen Streiter von Tirgas Lan würden nicht mit einer Handvoll hergelaufener Halsabschneider fertig?«
Corwyn holte tief Luft. Er wollte erwidern, dass es keineswegs nur ein paar einzelne Seeräuber wären und dass die Piratenflotte es sowohl an Stärke als auch an Zahl ohne Weiteres mit der Tirgas Lans aufnehmen konnte. Aber er schwieg. Was hätte es genutzt zu lamentieren? Sein Ziel waren die Fernen Gestade, und wenn er dieses Piratengesindel besiegen musste, um dorthin zu gelangen, so würde er auch das tun.
»Angriffsgeschwindigkeit!«, befahl er deshalb dem Kapitän, und die Anweisung wurde nicht nur an die Ruderer weitergegeben, sondern auch an die anderen Schiffe der Flotte. Die Galeere nahm noch mehr Fahrt auf und schnitt durch die Wellen, während sich die Soldaten an Bord bewaffneten und hinter dem Schanzkleid in Deckung gingen – Bogenschützen und Schwertkämpfer, die den Seeräubern zeigen würden, wie man in Tirgas Lan zu kämpfen verstand.
Befehle gellten über das breite Deck, die ebenfalls an die anderen Schiffe weitergeleitet wurden. Die Achtergeschütze wurden geladen und Sand auf die Planken gestreut, damit man nicht ausrutschte, wenn sie erst glitschig waren von Blut.
Auch die Piratengaleeren hatten an Geschwindigkeit zugenommen, und mit brachialer Gewalt bahnten sich ihre eisenverstärkten Rümpfe einen Weg durch die schäumende Gischt. Mit Besorgnis sah Corwyn die Stacheln, mit denen mancher Bug bewehrt war und die bei einem Zusammenstoß grässliche Löcher in die Wandungen der königlichen Dreiruderer schlagen würden.
Der König setzte den Helm auf, den sein Diener ihm gebracht hatte und dessen Schweif aus schwarzem
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