Die Orks 03 - Das Gesetz der Orks
zurück.
»… unberechenbar«, brachte Balbok den Satz zu Ende.
»Was du nicht sagst.«
»Korr«, bekräftigte Balbok, während er weiter gegen den Sog der Brandung paddelte, die sie wieder zurück zu den Felsen zu tragen drohte. »Aber keine Sorge, brarkor ist dir nicht böse deswegen.«
»Du hast der Ratte einen Namen gegeben?«
»Korr.«
»Und du hast sie ›Bruder‹ genannt?«
»Warum nicht?«
»Weil das ein Schlag in mein Gesicht ist, ein Tritt in meinen asar! Ich bin dein Bruder und niemand sonst, hast du verstanden? Und ob mir das dämliche Vieh böse ist oder nicht, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal. So wie ich das sehe, ist es nämlich so krok, wie es nur sein kann!«
In seinem Zorn hatte Rammar derart rumgezappelt, dass das Boot dadurch bedenklich ins Wanken geraten war. Die Miene des großen Orks wurde auf Rammars Worte hin noch ein Stück länger, und seine Mundwinkel rutschten nach unten, als wollten sie ihm aus dem Gesicht fallen. Dann maulte er leise vor sich hin, und als Rammar einen flüchtigen Blick zurückwarf, sah er gar eine Träne im blutunterlaufenen Auge seines Bruders blitzen.
Eigentlich hätte er darüber erst recht in saobh verfallen und seinen sentimentalen Anverwandten über Bord werfen müssen, aber aus einem Grund, den er auch nicht näher benennen konnte, war Rammars Wut ganz plötzlich verflogen. »Nun komm schon«, hörte er sich selbst sagen, »es war doch nur eine Ratte.«
»Brarkor war mein Freund«, kam es schluchzend zurück.
»Wenn das stimmt und er wirklich dein Freund war, dann hat es ihm sicher nichts ausgemacht, abgestochen, zerlegt, gehäutet und zum kalumm verarbeitet zu werden«, sagte Rammar.
»M-meinst du?«
»Ganz bestimmt. Außerdem«, fügte Rammar mit mildem Lächeln hinzu, »hast du ja noch mich.«
»Korr.«
»Na, siehst du. Und ich bin noch viel mehr als irgendein dämlicher Freund – ich bin tatsächlich dein Bruder.«
Balbok wischte sich die Tränen aus der hässlichen Visage. »Heißt das, du würdest dich für mich auch abstechen, zerlegen, häuten und zum kalumm verarbeiten lassen?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Natürlich«, versicherte Rammar, und dann wurde er wieder ganz der Alte. »Aber erst, nachdem ich dich abgestochen, zerlegt, gehäutet und zum kalumm verarbeitet habe, du elender umbal! Und nun ruder gefälligst weiter, ehe uns die Brandung gegen die Felsen klatscht und wir wie Maden zerquetscht werden!«
Balbok seufzte. »Korr …«
22.
SPOULG UR'KURSOSH
Das Schweigen schien endlos zu währen.
Mit einer Mischung aus Zweifel und Entsetzen starrte Alannah den alten Zauberer an. Alles in ihr wehrte sich gegen das, was Lhurian ihr soeben offenbart hatte, und ihr fiel mindestens ein Dutzend geharnischter Erwiderungen darauf ein, die den Alten der Lüge bezichtigten, ihn einen Scharlatan nannten und ihn für sein ungebührliches Verhalten rügten – jedoch verließ keine einzige Silbe davon ihren Mund.
Denn aus den jugendlich blickenden Augen das alten Zauberers sprach eine Wahrheit, gegen die der Verstand der Elfin nicht ankam, eine Vertrautheit, die es nicht hätte geben dürfen, wäre Lhurian ein Schwindler und Hochstapler gewesen, und eine Zuneigung, die sie sich nicht erklären konnte.
Vergeblich durchforschte sie ihre Erinnerung, doch weder konnte sie sich dieses Mannes entsinnen noch dessen, was sie einst für ihn empfunden haben sollte. Gerade so, als wären einzelne Seiten – oder vielleicht auch ganze Kapitel – aus dem Buch ihrer Erinnerung herausgerissen worden …
»Ja«, bekräftigte Lhurian, »so ist es einst gewesen. Ich habe dich geliebt, Alannah, und du hast mich geliebt, so wahr ich hier vor dir stehe.«
»N-nein«, flüsterte sie allem Anschein zum Trotz und wich vor ihm zurück. »Das ist nicht wahr …«
»Es ist wahr«, beteuerte er. »Und in deinem Herzen weißt du es.«
»A-aber ich …« Alannah wollte verzweifelt widersprechen, doch ihr fielen die passenden Worte einfach nicht ein.
»Du weißt, dass ich recht habe, oder?« Als sein prüfender Blick sie traf, hatte sie erneut das Gefühl, dass er etwas tief in ihr berührte. Etwas, das ihr einst vertraut gewesen war. Vor jenem Leben, an das sie sich erinnerte …
Der Gedanke war verwirrend und machte ihr Angst. Unwillkürlich wich sie vor dem Zauberer zurück, so als wären seine Worte eine Waffe, die ihr Leben bedrohte.
Da legte sich ein Schatten über seine so milden und verständnisvollen Züge. »Du fürchtest dich vor
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