Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Orks

Titel: Die Orks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stan Nicholls
Vom Netzwerk:
zu hören, zu fühlen, zu riechen. Eine vollkommene Leere. Ein winziges Lichtpünktchen. Es wuchs rasch. So rasch, als fliege er aus einem Brunnenschacht, und ihm wurde schwindlig. Sinneswahrnehmungen überfluteten ihn. Helligkeit, eine leichte Brise auf seiner Haut, der Geruch von Gras nach einem Regenguss, das Geräusch schwappenden Wassers. Ihm ging auf, dass er irgendetwas umklammerte. Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass er einen Stab in den Händen hielt. Und er sah, dass seine Füße auf robusten Holzplanken standen. Verständnislos hob er den Kopf. Er befand sich am entfernten Ende eines hölzernen Landungsstegs, der sich ein Stück weit in ein ausgedehntes klares Gewässer erstreckte. Das Sonnenlicht ließ die gekräuselte Oberfläche scheckig erscheinen und intensiv glitzern. Das entfernte Ufer des Sees säumten dicht belaubte Bäume. Dahinter erhoben sich sanfte Hügel und in weiter Ferne blaue Berge, deren Gipfel von daunig-weißen Wolken verhüllt waren. Zartes Vogelgezwitscher begleitete den herrlichen Tag.
    »Komm zurück, Träumer.« Er drehte sich rasch um. Sie war da. Gerade, stolz, prächtig. Mit einem glänzenden schwarzen Federkopfschmuck und ihrem eigenen Stab in der Hand. Sie bedachte ihn mit einem stählernen Lächeln. Er wollte etwas sagen. Sofort nahm sie Kampfhaltung an. Sie richtete den Stab auf ihn, indem sie ihn wie einen Speer in Schulterhöhe hielt, die Hände weit auseinander. Ihr Körper war gespannt wie eine Bogensehne. Der Hieb kam so schnell, dass er ihn kaum sah. Nur der Instinkt ließ ihn den Stab hochreißen, um den gewaltigen Schlag zu parieren, den sie ihm versetzte. Er war schockiert. Sie zog sich zurück, drehte den Stab, sodass sie ihn waagerecht hielt, und griff wiederum an. Abermals parierte er ihren Stab mit seinem, wobei er spürte, wie sich die Wucht des Aufpralls seinen straffen Armmuskeln mitteilte. Sie duckte sich und versuchte es mit einem tiefen, auf seine Hüfte gezielten Streich, aber er war schnell genug, um ihn abzulenken.
    »Wach auf!«, schalt sie ihn, indem sie außer Reichweite tänzelte. Sie grinste, und ihre Augen leuchteten. Dann dämmerte ihm, dass dies kein unprovozierter Angriff war. Diese Frau erwies ihm das Kompliment eines Schaukampfs, nach orkischen Maßstäben ein sehr großes. Wenngleich für jede andere Rasse die Vorstellung unglaubwürdig klingen würde, daran könne etwas Schmeichelhaftes oder Gespieltes sein. Es war nicht unüblich, dass Übungskämpfe zwischen Orks mit gebrochenen Knochen und selten auch einmal mit dem Tod endeten.
    »Hör auf, dich zu wehren, und fang an zu kämpfen!«, rief sie und bestätigte es damit.
    »Es macht keinen Spaß, wenn du nur parierst!« Mit seiner defensiven Reaktion war er das Risiko eingegangen, sie zu beleidigen. Nun, da er begriffen hatte, entwickelte er rasch die richtige Einstellung. Er sprang vor und hieb nach ihrem Bein. Hätte er getroffen, wäre sie zu Boden gegangen. Doch sie sprang geschmeidig zurück und wich so dem Stab aus, um sofort mit einem eigenen Hieb zu kontern. Er verfehlte ihn, mehr durch Glück denn durch eigenes Zutun. Sie umkreisten einander mit gebeugten Knien, geduckt, um ein kleineres Ziel zu bieten. Sie griff mit einem hoch auf den Kopf gezielten Hieb an. Er parierte mit einem Ende seines Stabs, wobei er das Risiko eines Bruchs einging, und ihre Waffe prallte ab. Sein Konter richtete sich gegen ihre Körpermitte und hätte ihr den Atem geraubt, hätte sie ihn nicht abgelenkt. Ihr nächster Angriff bestand aus einem Hagel starker Hiebe, der ihn dazu zwang, seinen Stab umherzuwirbeln wie ein Jongleur seine Keule, um alle abzuwehren. Ein Augenblick des Nachlassens gestattete ihm, wieder in die Offensive zu gehen, aber als er mit Nachdruck auf sie einschlug, führte das nur dazu, dass seine Hiebe mit geschmeidiger Behendigkeit abgewehrt wurden. Sie sprangen auseinander.
    Es machte ihm Spaß. Das Hochgefühl des Kampfes erfüllte ihn und beflügelte seine Gedanken und seinen Schritt. Was die Frau betraf, so war sie ein glänzender Gegner. Alles, worauf ein Ork beim Schaukampf hoffen konnte. Sie gingen wieder aufeinander los. Er setzte den ersten Hieb. Sie wich aus und fuhr herum. Ihre Stäbe klackerten nach Schlag und Gegenschlag. Er wirbelte, griff an, wich zurück. Sie schmolz wie Wachs unter seinen Angriffen weg und zahlte sie dann mit gleicher Münze zurück. Sie kämpften den ganzen Pier auf und ab, und immer wieder prallten ihre Stäbe in einem beständigen

Weitere Kostenlose Bücher