Die Orks
Ork, oder? Wie wir.« Er griff an und schlug mit dem Schwert zu. Stryke spannte sich, um ihm zu begegnen. Doch auch jetzt wollte er ihn nur außer Gefecht setzen, nicht töten, sofern das möglich war. Aus dem Augenwinkel sah er, dass der andere Gemeine sich zurückhielt. Ihre Klingen prallten aufeinander, und das Klirren hallte durch den staubigen Korridor. Stryke hieb auf das Schwert des anderen ein in dem Versuch, ihn zu entwaffnen.
Die Absichten seines Gegners waren offensichtlich tödlicherer Natur. Er gab sein Bestes, um Stryke zu treffen. Sie fochten eine Weile, Stryke in der Defensive, aber er wurde zunehmend unruhiger. Er konnte es sich nicht leisten, seine Zeit mit ein paar Holzköpfen zu vergeuden. Wenn er sie töten musste, dann musste es eben sein, sie hatten Gelegenheit genug gehabt, sich anders zu entscheiden. Er beschleunigte das Fechttempo und drang auf seinen Gegner ein. Der war, obwohl ein Ork, der schlechtere Fechter und wich jetzt mit einem Ausdruck äußerster Bestürzung auf dem Gesicht zurück. Dann sah Stryke eine Gelegenheit. Der Gemeine hatte es mit einem tiefen Hieb versucht. Dadurch war sein Oberkörper ungeschützt. Stryke landete einen Schwung mit der flachen Klinge auf der Wange des Orks und hörte das Knirschen herausgebrochener Zähne. Der Ork sprang Blut speiend zurück und wäre beinahe gefallen. Sein Schwert lag bereits auf dem Boden. Stryke rückte vor und trat dabei das Schwert zur Seite. Der Gemeine, dessen Gesicht kalkweiß geworden war, wartete auf den tödlichen Hieb.
»Jetzt verpiss dich«, sagte Stryke zu ihm. Er sandte noch ein drohendes Hohngrinsen in die Richtung des Zauderers. Sie starrten ihn noch einen Augenblick an, dann machten sie kehrt und flohen. Stryke seufzte und dachte über die Ironie des Schicksals nach, die ihn zwang, gegen Orks und diejenigen Menschen zu kämpfen, mit denen er erst seit kurzem verbündet war.
Jups Gruppe, die Sanara umringt hatte, um sie zu schützen, kämpfte sich zur Spitze eines Turms durch. Dort fanden sie eine leere Steinkammer mit einem offenen Balkon vor. Während einige die Treppe bewachten, trat sie auf den Balkon, Jup neben sich. Jennestas Armee hatte sich über die eisige Ödnis unter ihnen ausgebreitet. An den Palasttoren herrschte ein ziemliches Gedränge, da die Abteilungen sich beeilten, in den Palast zu gelangen. Dann stieß jemand einen Schrei aus, und als sie nach oben schauten, sahen sie Drachen am Himmel.
»Verdammt, das hat uns gerade noch gefehlt«, verkündete der Zwerg trübsinnig. Doch dann stürzten die Drachen herab und spien Jennestas Truppen ihre Flammen entgegen. Im Turm brach lauter Jubel aus.
»Das muss Glozellan sein«, mutmaßte Jup.
»Gut für sie!« Er drehte sich strahlend zu Sanara um. Ihre Augen waren geschlossen, und sie hob langsam die Arme. Der Trupp starrte sie verwirrt an.
Im Keller sahen Alfray und Reafdaw, wie Seraphim in eine Art Trance zu fallen schien. Seine Augen waren glasig, er hatte die Arme erhoben, und er hätte nicht weniger Notiz von den Orks nehmen können, wenn sie gar nicht in der Kammer gewesen wären. Dann fing ein Bereich des Portals plötzlich an zu summen, tief und absonderlich. Alfray näherte sich ihm zaghaft. Er streckte vorsichtig eine Hand aus und spürte ein warmes Kribbeln an der Innenseite seiner Hand. Er trat zurück und wechselte erstaunte Blicke mit dem Gemeinen.
Stryke passierte gerade ein eingeschlagenes Fenster, als ihm etwas Außergewöhnliches ins Auge fiel. Er schaute hinaus und sah Jennestas Armee, die mit ihrer gewaltigen Zahl das Eis bedeckte, so weit das Auge reichte. Doch nicht dieser Anblick hielt ihn gefangen. Etwas war in der Luft. Seine beste Bezeichnung dafür war eine Leinwand. Aber das Bild darauf bewegte und veränderte sich vor seinen Augen. Ihm ging auf, dass es den Visionen glich, die Seraphim am Portal beschworen hatte, nur gewaltig ausgedehnt auf einen Großteil des
bleiernen Himmels. Die Bilder zeigten ähnliche Szenen orkischen Friedens und grüner Pracht. Von unten war Gebrüll zu hören. Aber es waren keine Schlachtrufe aufgeputschter Krieger. Es waren Rufe der Verwunderung, gefolgt von solchen der Unzufriedenheit. Er durchschaute den Plan des Zauberers. Gab es einen besseren Weg, Zwietracht unter ihnen zu säen, als den, ihnen ihre Lebenslüge vor Augen zu führen? Hinzu kam ihre Beklommenheit angesichts dieser übernatürlichen Manifestation. Das würde nicht nur eine Veränderung in ihrer Loyalität
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