Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
sein, wenn er sagt, dass es darum geht, wer ich bin. Ich bin Mara Thorn, aber ich weiß nicht, woher ich komme. Ich weiß nicht, wer meine Eltern waren. Ich würde es gerne wissen, aber was hat das nun wieder mit meiner Musik zu tun?
Waren ihre Vorfahren berühmte Musiker gewesen? Das Talent zur Musik vererbte sich ja angeblich genetisch. Ging es den beiden darum? Wollten Sie erforschen, ob das so war?
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich endlich nicht mehr weiter auf die Folter spannen würden«, sagte Mara. »Wenn Sie mir erklären würden, was hier eigentlich los ist. Sie wissen doch etwas über meine Familie. Bitte sagen Sie es mir. Habe ich einen berühmten Urgroßvater? Vielleicht Beethoven oder Mozart?«
»Sie haben die Schwarze Violine«, sagte Lechner. »Darauf kommt es an.«
»Und es kommt darauf an, wer sie früher besaß«, fügte Wessely hinzu. »Sie haben doch in Grittis Unterlagen davon gelesen.«
»Ja«, sagte Mara. »Die Violine hat mit der Geschichte einer alten Sekte zu tun …«
»Sie gehörte den Angehörigen dieser Sekte«, korrigierte Wessely.
»… und sie hat irgendwas mit der Musik dieses antiken Orpheus zu tun. Musik, die besondere Wirkung hat …« Sie schüttelte den Kopf. »Wobei mir das alles ziemlich seltsam vorkommt. Ich hatte fast den Eindruck, als hätte Gritti allen Ernstes versucht, dieser Musik, die allen Menschen gefällt, die alle Menschen verzaubert und sie in eine Stimmung versetzt wie eine Droge, auf die Spur zu kommen.«
»Es kam Ihnen so vor«, sagte Wessely. »Und Sie haben recht – es war so. Gritti hat das versucht. Und in diesem Spiel haben Sie eine Hauptrolle, Mara.«
»Aber wieso? Gut, es ging ihm darum, diese Musik zu finden. Wobei ich nicht verstehe, wie das gehen soll … und dann diese Sekte.«
»Es geht um die Violine«, sagte Lechner. »Sie ist der Schlüssel.«
»Sie trägt ein Zeichen«, warf Wessely ein. »Das wissen Sie doch? Dieses Zeichen ist nichts anderes als das Zeichen des Orpheus. Das Zeichen der Lyra. Orpheus soll sie meisterhaft gespielt haben. Die Lyra ist gleichzeitig ein Sternzeichen. Eine Sternenkonstellation. Nach Orpheus’ Tod soll sie am Himmel erschienen sein. Fünf Sterne. Und indem die Gründer der Sekte dieses Zeichen in die Violine stanzen ließen, symbolisierten sie nicht nur ihre Zugehörigkeit zu der orphischen Tradition, sondern sie unterstrichen auch die Verbindung von Musik und Universum. Nach den antiken und mittelalterlichen Vorstellungen symbolisiert die Harmonie der Töne in der Musik die Harmonie der Welt – die perfekten Proportionen in Sternenbahnen, in spiralförmigen Muscheln, sogar in den Proportionen des menschlichen Körpers. Das Gefühl von Schönheit, das uns instinktiv ergreift, wenn wir den Wellen des Meeres zusehen, wenn sie an den Strand schlagen, die Schönheit einer Blumenblüte oder eines Vogels – diese Schönheiten der Natur unterliegen denselben Gesetzen wie die Musik. Und wer diese Gesetze kennt, kann die schönste Musik machen – die Musik, die am stärksten auf die Menschen wirkt, verstehen Sie?«
»Ja«, sagte Mara. Sie verstand, sie hatte das, was das Zeichen der Lyra betraf, ja schon im Internet gelesen.
»Und nun«, fuhr Wessely fort, »fanden sich irgendwann Menschen zusammen, die sich auf die Suche nach den Melodien des Orpheus machten. Nach unseren Erkenntnissen muss es in der Zeit der Renaissance gewesen sein, als man auch auf anderen Gebieten plötzlich wieder ein Interesse an der Kunst der Antike entwickelte. Man versuchte sogar, die antiken Tragödien nachzubilden, und weil man wusste, dass die Schauspieler im alten Griechenland ihre Texte in einer Art Sprechgesang vortrugen, entstand bei dem Versuch, so etwas nachzumachen, eine ganz neue Musikgattung – die Oper. Aber ich will Ihnen keinen musikhistorischen Vortrag halten … Es entstand also, irgendwo in Italien, diese Sekte, die sich mit Orpheus befasste. Im Geheimen trafen sie sich, jahrhundertelang. Wir wissen, dass große Komponisten mit ihnen in Kontakt standen und sogar Mitglied dieser Gruppe waren. Denn man lud hoffnungsvolle Talente an einen geheimen Versammlungsort ein und ließ sie mithilfe eines bestimmten Rituals das Erbe des Orpheus antreten … Es waren große italienische Komponisten dabei, die man heute noch kennt. Antonio Vivaldi zum Beispiel, aber auch andere, die nicht aus Italien stammten, aber dort hinreisten, etwa Georg Friedrich Händel. Sie alle lernten an dem geheimen Ort die Geheimnisse von
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