Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Orpheus kennen.«
»Moment«, unterbrach Mara. »Soll das heißen, sie hatten diese Melodien tatsächlich? Und sie brachten den Musikern, die Sie gerade erwähnten, diese Melodien bei?«
»Genau das wollen wir herausfinden«, meldete sich jetzt wieder Lechner zu Wort. »Es gab diese Sekte sehr lange. Irgendwann ließen die Mitglieder der Sekte die Violine anfertigen. Sie kam immer für eine bestimmte Zeit in den Besitz eines Sektenoberhaupts. Wer diese Oberhäupter waren, wissen wir nicht, aber es dürften auch bekannte Musiker gewesen sein. Wir kennen den Ort nicht, wo sich diese Leute trafen. Aber wir wissen, dass die Violine den Weg dorthin weist. Was wir aber wiederum nicht wissen, ist, auf welche Weise das funktioniert. Das ist die Frage, die wir uns stellen: Wie kann ein Musikinstrument einen Ort aufzeigen? Wenn wir die Geige hätten, könnten wir es herausfinden.«
»Vielleicht indem etwas eingraviert ist?«, mutmaßte Mara. »So ähnlich wie das Lyrazeichen?«
Das Lyrazeichen, das ich als Leberfleck auf der Haut trage, dachte Mara.
»Ist Ihnen da noch etwas aufgefallen?«, fragte Wessely. »Eine Gravur, eine Karte oder etwas Ähnliches?«
Mara schüttelte den Kopf. »Nein. Dabei habe ich mir die Geige oft sehr genau angesehen, weil sie ja für mich auch ein Geheimnis barg. Aber da war nichts.«
»Vielleicht liegt es unter der schwarzen Lackierung verborgen, wie wir geglaubt haben«, sagte Lechner. »Wir müssen die Geige wieder in unseren Besitz bringen.«
»Aber das ist doch unmöglich«, sagte Mara. »Deborah hat genau dasselbe vor wie Sie. Und sie hat die Violine nun. Sie wird sie niemals zurückgeben.«
»Das ist richtig«, sagte Wessely. »Aber soweit wir wissen, steht sie vor demselben Problem wie wir. Sie hat das Instrument, aber ihr fehlen die Informationen, wie man die in der Geige verborgene Ortsangabe dekodiert.«
»Wenn es unter der Lackschicht liegt, wird sie selbst darauf kommen«, sagte Lechner. »Wahrscheinlich ist es schon zu spät, und sie ist auf dem Weg nach Italien. Wo der Ort ja wahrscheinlich liegt.«
»Gehen wir mal nicht vom Schlimmsten aus. Wir sollten uns stattdessen überlegen, wie wir das Instrument zurückbekommen.«
Gut, dachte Mara. Jetzt sehe ich ein wenig klarer. Allerdings waren ihr einige Dinge immer noch schleierhaft.
»Warum eigentlich eine geheime Sekte?«, fragte sie. »Warum durfte niemand wissen, dass es diese Orphischen Melodien oder diese Rituale gab, die damit zusammenhängen?«
»Weil sich die Musiker einen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschaffen wollten«, sagte Lechner. »Musik ist und war schon früher nicht nur Kunst, sondern auch Geschäft. Und wer im Besitz der besseren Techniken, der besseren kreativen Ideen war, hatte einen Vorteil. Und es ist sicher kein Zufall, dass die Musik dieser Leute heute noch zu den absoluten Hits gehört. Sie trifft einen Nerv. Wie das genau funktioniert, haben viele herauszufinden versucht, aber es ist noch keinem gelungen.«
»Und es kommt noch etwas anderes hinzu«, sagte Wessely, doch Lechner unterbrach ihn: »Sag es ihr nicht. Das ist esoterisches Zeug …«
»Wir haben darüber diskutiert«, ließ sich Wessely nicht aus der Ruhe bringen, »aber ich habe eine etwas andere Meinung dazu. Es ging nicht nur um Wettbewerb von Künstlern. Es ging auch darum, dass die Sekte von der Kirche verfolgt wurde.«
»Na, das hätte ich mir denken können«, sagte Mara. »Immer wenn Künstler etwas Innovatives machen, ist die Religion dagegen. Seltsam, dass gerade Sie sich jetzt so sehr dafür interessieren.«
Wessely ließ sich nicht provozieren. »Die meisten sehen in der Orpheus-Gestalt nur einen – wenn auch herausragenden – Musiker und Sänger. Aber er war mehr. Er war der Gründer eines antiken Mysterienkults. Einer eigenen Religion.«
»Georg!«, rief Lechner mahnend, aber Wessely machte weiter.
»Genau das. Und vielleicht kennen Sie ja die Religion des alten Griechenlands ein bisschen. Es gab Götter für verschiedene Bereiche des Lebens. Ganz oben herrschte Zeus. Und unter ihm gab es den Meeresgott Poseidon, die Jagdgöttin Artemis, die Liebesgöttin Aphrodite, den Kriegsgott Ares und so weiter. Die Religion, die Orpheus dagegen begründete, hatte ganz eigenständige Glaubensinhalte.«
»Er glaubte an die Macht der Musik?«, mutmaßte Mara.
»Das sicher auch, aber vor allem glaubte er an etwas, das für die damalige Zeit vollkommen revolutionär war und das schon ein wenig an das Christentum
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