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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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erinnert: Er glaubte an die Wiedergeburt. Er glaubte daran, dass jeder Mensch nach seinem Tod irgendwann wieder ins Leben tritt – mitsamt seinen Talenten und seiner ganzen Persönlichkeit. Sie kennen sicher die Sage von Orpheus und Eurydike: Orpheus holt seine verstorbene Geliebte zurück ins Leben. In dieser Geschichte ist dieser Glaube als Möglichkeit symbolisiert, den Tod zu überwinden. Und als im 16. Jahrhundert oder wann auch immer in Italien Musiker und Musikgelehrte diesen Orpheus-Kult wieder aufleben ließen, war das der Kirche ein Dorn im Auge. Sie fürchtete, die Anhänger dieser Sekte könnten Orpheus zu einem alternativen Jesus stilisieren, zumal sie auf dessen Wiederkehr hofften wie die Christen auf die Wiederkehr des Messias.«
    »Die Wiederkehr? Sie glauben, dass …«
    »Sie glauben, dass Orpheus immer wieder in herausragenden Musikerpersönlichkeiten wiedergeboren wird. Und ihr Ritual, das sie irgendwo an dem Ort, den wir alle suchen, durchführten, war die Methode, den nächsten ›Orpheus‹ zu finden. Ihn zu finden, zu küren und ihm für bestimmte Zeit als Zeichen seiner Herrschaft die Schwarze Violine zu übergeben.«
    »Und was ist aus der Sekte geworden?«, fragte Mara. »Hat sie heute immer noch Anhänger?«
    »Vielleicht ist sie untergegangen«, sagte Wessely. »Vielleicht gibt es sie noch. Und wenn das der Fall ist, warten sie auch heute noch auf Orpheus’ Wiederkehr. Und wenn sie die Person gefunden haben, die sie für Orpheus halten, werden sie ihr die Violine geben.«
    Es war ganz dunkel geworden. Nur von dem Fenster aus Milchglas fiel trübes Licht in den Raum. Lechner war nicht mehr als ein Schatten hinter dem Schreibtisch, und Wessely schien völlig mit dem Vorhang verschmolzen, vor dem er stand.
    »Deborah«, sagte Mara. »Könnte sie eine Angehörige dieser Sekte sein? Oder Gritti?«
    »Das haben wir uns auch schon überlegt«, kam es aus der Ecke, wo Lechner saß. »Aber dafür weiß sie zu wenig. Wir haben eher den Eindruck, dass sie selbst nur eine Forscherin ist, der es die Idee angetan hat, die Melodien des Orpheus zu finden. Wie dies auch bei Gritti der Fall war. Es geht nur darum, daraus Kapital zu schlagen. Seit Jahren hat er sich mit Methoden befasst, wie man mit Musik Menschen beeinflussen kann, und er hat entsprechende Forschungen finanziert.«
    »Und Deborah wollte mich umbringen lassen, weil niemand ihr Geheimnis kennen darf. Wenn ich nicht mit ihr zusammenarbeiten will, dann muss ich verschwinden.«
    »Möglich. Aber es gibt noch einen anderen Grund.«
    Wessely bewegte sich, und Mara konnte den Schemen seines Schattens erkennen. »Denken Sie darüber nach.«
    In diesem Moment geschah etwas, das Mara erschreckte. Ein kaltes Licht erschien, und dann hörte sie ihre eigene Musik. Ein paar Takte aus »Horizons of Harmony«. Die ausdrucksvollste Stelle, in der die Melodie dramatisch nach oben ging und sich über das begleitende Orchester erhob, um weiterhin dort in schier unermesslichen Höhen ihre Kreise zu ziehen wie ein Raubvogel im blauen Himmel über einem Gebirge.
    »Ja?«, sagte Wessely plötzlich laut, und Mara konnte im Schein des Lichts sein kantiges Gesicht sehen. Erst jetzt begriff sie, dass er einen Anruf auf einem Handy erhalten hatte.
    »Ist gut«, sagte Wessely. »Ich komme.« Der matte Schein erlosch. »Ich muss noch einmal weg. Ich komme morgen früh wieder. Und Jakob, wenn du es ihr sagen willst, tu es. Ich denke, wir können nicht viel falsch machen.«
    Hinter dem Schreibtisch wurde ein Stuhl gerückt. Lechner stand auf und drängte sich an Mara vorbei zur Tür. Die beiden Männer gingen nach vorn in den Laden. Wahrscheinlich ließ Lechner den Geistlichen hinaus.
    »Das ist alles sehr rätselhaft für mich«, sagte Mara, als Lechner wieder hinter dem Schreibtisch saß.
    »Für uns auch. Es tut mir übrigens leid, wie wir Sie empfangen haben. Es war nicht besonders höflich. Kann ich Ihnen irgendwas anbieten? Sie müssen ja hungrig und durstig sein.«
    Fast hätte Mara aufgelacht. Eine absurde Situation. Sie saß im Dunkeln im Hinterzimmer eines Wiener Antiquariats, in das man sie gelockt hatte. Irgendeine düstere Geschichte von ihrer verlorenen Violine und einer Sekte hatte sie sich anhören müssen.
    »Wer sind Sie beide überhaupt?«, fragte Mara.
    »Ja, das hätten wir Ihnen erzählen sollen«, sagte Lechner. »Wir sind zwei solche Bücherwürmer, dass wir jede Höflichkeit vergessen. Georg arbeitet für eine Forschungsstelle im Vatikan und ist

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