Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
Vom Netzwerk:
einfach laufen ließen?«
    Lechner brachte es auf den Punkt: »In der Sie im Flow waren?«
    »Im Flow?«
    »Der Flow«, erläuterte Wessely, »ist ein mentaler Zustand, in dem man instinktiv die richtigen Entscheidungen trifft, ohne dass es einem bewusst ist. Man lässt sich treiben, man versinkt in einer bestimmten Tätigkeit, und man leistet dabei kreative Arbeit, ohne das Gefühl zu haben, selbst daran beteiligt zu sein. Man gibt sich hin. Viele Künstler kennen diesen Zustand und beschreiben ihn so, als würde das Werk, mit dem sie gerade beschäftigt sind, von selbst entstehen. Musiker sagen, ihre Finger würden von selbst die Töne spielen, die in diesem Moment genau richtig sind. Ich bin sicher, dass Sie diesen Zustand auch kennen, und ich bin sicher, dass Sie ihn mit Ihrer Violine besonders leicht erreicht haben.«
    Mara war verblüfft. Der Mann schien ihr in die Seele schauen zu können. »Das stimmt genau. Aber wieso fragen Sie, ob dieser Quint mich außerhalb einer Konzertsituation gehört hat?«
    »Es ist diese Musik«, erklärte Wessely weiter, »in der Sie ganz bei sich selbst sind. Im Konzert kann die Situation eine andere sein. Im Aufnahmestudio ebenso. Aber wenn es kein Publikum, kein Ziel, keine Erwartung gibt, ist alles viel stärker, viel konzentrierter. Hat Quint die Möglichkeit dazu gehabt? Hat er Sie beim Improvisieren belauscht? Denken Sie genau nach.«
    Mara schwirrte der Kopf. Warum war das alles so wichtig? Sie war Quint entkommen, und darauf kam es an. Das reichte doch.
    »Wann haben Sie denn überhaupt das letzte Mal auf der Schwarzen Violine gespielt?«, fragte Wessely.
    Mara fiel es sofort ein. Sie würde den Moment nie vergessen, in dem sie von dem Instrument hatte Abschied nehmen müssen. »Kurz bevor er mit mir in den Wald gefahren ist. Deborah hat mich mit der Geige alleine gelassen. Ich habe gespielt. Zwei, drei Stunden lang oder so. Jeder, der in dem Haus war, dürfte es gehört haben.«
    »Da haben wir’s«, sagte Lechner und nickte Wessely zu.
    »Da haben wir was?«, wollte Mara wissen.
    »Quint ist Ihrer Musik verfallen. Als er Sie töten sollte, fiel ihm ein, dass er die Urheberin der Musik, die er gehört hat, mit seiner Tat für immer zum Schweigen bringen würde. Und das konnte er nicht. Aber er ist ja Profi. So hat er sich überlegt, wie er an Ihre Musik herankommen kann, wenn Sie tot sind. Und so kam er darauf, Ihnen das Handy abzunehmen.«
    »Das klingt aber ziemlich fantastisch«, sagte Mara. »Er soll meiner Musik verfallen sein? Und wenn mir die Musik das Leben rettet, weil sie eine solche Wirkung auf die Menschen hat, warum hat mich Deborah ihm dann ausgeliefert? Sie hat mir doch auch zugehört, als ich da in dem Zimmer stand und spielte.«
    »Es ist eine seltsame Sache mit der Musik«, sagte Wessely. »Wenn Sie Gelegenheit gehabt hätten, die Unterlagen aus Grittis Wohnung genauer zu lesen, hätten Sie gesehen, dass die Forschung nur eines genau weiß: Musik beeinflusst die Menschen. Sie beeinflusst Emotionen. Aber welche Musik genau welche Wirkung hat, weiß niemand. Es kommt darauf an, welchen Hintergrund der Mensch hat, der die Musik hört. Wie fremd sie ihm ist, wie sich sein Geschmack gebildet hat. Ob er die Musik oder Musik eines ähnlichen Stils schon oft gehört hat oder ob sie neu für ihn ist. Ob er mit einem bestimmten Stück eine Erinnerung verbindet. Deborah Fleur kennt alles, was Sie bisher gespielt haben. Sie kennt all Ihre Aufnahmen. Sie hat sie wahrscheinlich analysiert. Daher ist sie in gewisser Weise abgestumpft. Aber für Quint war das alles neu.«
    »Also gut«, sagte Mara. »Ich verstehe. Aber wozu ist das nun alles gut? Nur dass Sie mir glauben, dass ich wirklich Quint entkommen bin? Wollten Sie mich testen? Denken Sie, dass ich auf seiner Seite stehe?«
    »Wir wollten Sie testen«, erklärte Wessely. »In der Tat. Aber dass Sie nicht auf Deborah Fleurs Seite stehen, wissen wir. Es geht um etwas anderes.«
    »Wollen Sie wissen, ob meine Musik gut ist? Ob ich Killer dazu bringen kann, ihre Pläne zu vergessen, indem ich einfach nur Musik mache?«
    »Darauf läuft es hinaus. Aber so lustig, wie Sie die Sache betrachten, ist sie nicht. Das alles reicht viel weiter. Es geht nicht nur darum, was Sie können, sondern es geht darum, wer Sie sind.«
    »Sag es ihr noch nicht«, rief plötzlich Lechner dazwischen. »Wir müssen sie langsam darauf vorbereiten.«
    Also geht es doch um meine Familie, dachte Mara. Etwas anderes kann doch nicht gemeint

Weitere Kostenlose Bücher